Personalchaos in der SPD Rückhalt für Nahles wackelt in den Landesverbänden

Berlin · Der SPD-Vorstand könnte Andrea Nahles am Dienstag als kommissarische Nachfolgerin von Parteichef Martin Schulz ernennen. Doch der Schritt ist umstritten. Und eine Mehrheit dafür nicht sicher.

 Andrea Nahles (Archivbild).

Andrea Nahles (Archivbild).

Foto: dpa, arn kde cul

Die Frage ist einfach, die Antwort nicht: Sind die SPD-Mitglieder in den 16 Landesverbänden mehrheitlich dafür, dass Fraktionschefin Andrea Nahles bereits am Dienstag den Parteivorsitz kommissarisch von Martin Schulz übernimmt? Wer sich in den Ländern umhört, kann nicht unmittelbar auf eine Mehrheit schließen.

Dabei ist es für die Parteispitze von hoher Relevanz, ob die Basis den zwischen Schulz und Nahles verabredeten Wechsel mitträgt — oder ob dieser eine Revolte auslösen und beim anstehenden Mitgliedervotum ein Nein zur großen Koalition provozieren kann.

Etliche Landesverbände wollten sich zur Personaldebatte gar nicht mehr äußern. Hinter vorgehaltener Hand wurde aber berichtet, dass die Basis die Rochade teils kritisch sehe. Auch die Debatte um eine Urwahl des neuen Vorsitzes schließt an diese Kritik an.

Auf Inhalte konzentrieren

So sprach sich der Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt und Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka für einen Mitgliederentscheid über den Bundesvorsitz aus. "Wer künftig die SPD führt, braucht Rückhalt aus der ganzen Partei", erklärte Lischka.

Ralf Stegner, SPD-Vize und Landeschef in Schleswig-Holstein, wiegelte ab: Öffentliche Diskussionen würden nur dem politischen Gegner nutzen, so Stegner. Brandenburgs Generalsekretär Erik Stohn pflichtete dem bei: "Im Vordergrund muss jetzt die inhaltliche Diskussion mit den Mitgliedern stehen", sagte er. Andere verbanden dies mit Rückhaltsbekundungen für Nahles.

Daniel Stich, Generalsekretär der SPD Rheinland-Pfalz — Heimat von Nahles — sagte, ein Großteil der Mitglieder teile den Wunsch, sich jetzt auf die Inhalte des Koalitionsvertrags konzentrieren zu wollen. Deshalb gehe er davon aus, dass auch die Mehrheit der Mitglieder eine kommissarische Lösung für den Parteivorsitz mittragen werde. Ähnliche Rückmeldung kam aus Bremen und Niedersachsen.

Prominente Unterstützung für Nahles gibt es auch aus dem Nordosten. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns und SPD-Vize, sagte: "Ich persönlich unterstütze den Vorschlag, dass Andrea Nahles kommissarisch die Parteiführung übernimmt. Sie ist eine starke Persönlichkeit mit viel Erfahrung.

Alles Weitere entscheidet der nächste Bundesparteitag." Zugleich mahnte sie ein Ende der Personaldebatten an. "Es müssen jetzt endlich wieder die Inhalte in den Mittelpunkt rücken", betonte Schwesig. "Wir haben ein gutes Verhandlungsergebnis erzielt."

Darüber werde sie in den nächsten Wochen mit den Mitgliedern diskutieren. Sie werbe für die Annahme des Koalitionsvertrages, weil die SPD mit vielen vereinbarten Maßnahmen den Menschen konkret helfen könne.

Die entscheidenden Sitzungen von SPD-Präsidium und Vorstand sind für Dienstagnachmittag angesetzt. Schulz sagte einen Auftritt beim politischen Aschermittwoch ab. Unterdessen berichtete der "Tagesspiegel" mit Verweis auf Vertraute von Noch-Außenminister Sigmar Gabriel, dass er humorvoll gemeinte Bemerkungen über Schulz bedaure.

Gabriel hatte in der vergangenen Woche — nachdem Schulz Anspruch auf das Außenministerium erhoben hatte — angeblich tröstende Worte seiner Tochter Marie zitiert: "Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht." Schulz hat seine Ambitionen inzwischen begraben.

(qua / jd)
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