Staatsakt für ehemaligen Bundespräsidenten Gauck würdigt Scheel als "Glücksfall" für Deutschland

Berlin · Mit einem Staatsakt verabschiedten sich am Mittwochnachmittag Menschen aus Politik und Gesesellschaft von Walter Scheel (FDP). Bei der Trauerfeier sprachen Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der frühere FDP-Chef Wolfgang Gerhardt. Auch Kanzlerin Angela Merkel nahm an der Zeremonie teil.

Trauergäste beim Staatsakt für Walter Scheel
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Trauergäste beim Staatsakt für Walter Scheel

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Bundespräsident Joachim Gauck hat den verstorbenen Staatschef Walter Scheel als "Glücksfall" für die Bundesrepublik gewürdigt. Der FDP-Politiker habe über sein gesamtes politisches Leben hinweg ein "feines Gespür für die Notwendigkeiten und Chancen siner Zeit" bewiesen, sagte Gauck. Der Bundespräsident erinnerte vor allem an Scheels Bedeutung für die sozial-liberale Koalition. "Walter Scheel ist ein Wegbereiter der Reformära gewesen, im Wortsinne ein Pfadfinder unserer Republik."

Walter Scheel war am 24. August im Alter von 97 Jahren gestorben. Scheels Sarg war für den Staatsakt mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne geschmückt. Der FDP-Politiker war von 1974 bis 1979 Bundespräsident. Zuvor hatte der FDP-Politiker als Außenminister zusammen mit SPD-Kanzler Willy Brandt von 1969 bis 1974 die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition vorangebracht. Das Bündnis von SPD und FDP ging 1982 zu Ende.

Scheel gilt als einer der beliebtesten Präsidenten, die die Bundesrepublik hatte. Vielen ist er bis heute auch durch einen Fernsehauftritt in Erinnerung, in dem er das Volkslied ("Hoch auf dem gelben Wagen") zum Besten gab. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf. Dort ist auch Brandt beerdigt.

Scheel wurde am 8. Juli 1919 in Solingen als Sohn eines Stellmachers geboren. 1946 trat er in die FDP ein. Der gelernte Bankkaufmann und Wirtschaftsberater war fast 25 Jahre lang Abgeordneter. Vor seiner Zeit im Kabinett Brandt amtierte er schon als Bundesminister unter den CDU-Kanzlern Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Unter Adenauer war Scheel erster Entwicklungshilfeminister der Republik. Er starb nach langer Krankheit.

Zur Trauerfeier im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie kamen Politiker vieler Parteien, ehemalige Bundespräsidenten und Wegbegleiter Scheels. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat "Weitsicht, Risikobereitschaft und außergewöhnlichen Mut" seines Amtsvorgängers gewürdigt. Scheel habe mit seiner Politik der Annäherung an den Osten Europas den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands 20 Jahre später geebnet.

Die Neuorientierung innerhalb der damaligen sozialliberalen Koalition sei ein "unerhörter Tabubruch" gewesen. Dazu seien Entschlossenheit und Ausdauer notwendig gewesen - "und Walter Scheel bewies beides", sagte Steinmeier. Er betonte, auch heute sei Mut nötig, "um Brücken zu bauen über wieder tiefer gewordene Gräben hinweg". In Europa seien wieder nationalistische Rhetorik und Abschottungsrufe zu hören.

Steinmeier wies auf den "feinsinnigen Humor" Scheels hin. Hinter seiner herzlichen Fröhlichkeit habe aber immer "großer Ernst für die Sache" gestanden. Dass er Deutschland dann auch noch "das Ständchen eines Postkutschers" gesungen habe, "das freut uns noch heute".

Der Vorstandsvorsitzende der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung, Wolfgang Gerhardt, würdigte Standfestigkeit und Überzeugung des früheren FDP-Chefs gerade auch beim politischen Umbruch Ende der 60er Jahre. "Er wusste genau, was er tat, welch hohes Risiko er einging, und war sich im Falle des Scheiterns völlig klar, was er zu tun hatte, als er wenige Tage vor der Bundestagswahl 1969 die Bereitschaft zur Koalition mit der SPD andeutete, falls das Wahlergebnis sie ermöglichen würde." Außenpolitik habe Scheel "in einer Balance von Macht und Moral, von nationalem Handlungsspielraum und globalen Verpflichtungen" gestaltet.

Anlässlich des Staatsaktes wurde Trauerbeflaggung angeordnet.

(rent/dpa)
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