Klüngel-Affäre Stadtchefs verlangen Aufklärung

Köln/Düsseldorf · In Köln und Düsseldorf fürchten die Rathausparteien, dass sich die Affäre um die dubiosen Sparkassen-Beraterverträge ausweitet. In der Domstadt wird der Skandal jetzt zum Wahlkampfthema. Die NRW-SPD wirft Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) vor, versagt zu haben.

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Foto: RP/Busskamp

Fritz Schramma kann seine üble Stimmung nur schlecht verbergen. Der Rücktritt seines Bürgermeisters Josef Müller hat ihn hart getroffen. "Persönlich enttäuscht" sei er von seinem langjährigen politischen Weggefährten. Durch die neuerliche Klüngelaffäre gerät zudem Schrammas fast sicher geglaubte Wiederwahl als Oberbürgermeister von Köln in Gefahr. "Der Imageschaden für die CDU ist enorm", heißt es im OB-Büro. Niemand weiß, ob nicht noch weitere Fälle auffliegen.

Josef Müller, ehemals Postbote, hatte nach seinem Ausscheiden als Fraktionsgeschäftsführer der Kölner CDU einen Beratervertrag mit einer Tochtergesellschaft der Stadtsparkasse Düsseldorf angedient bekommen. Der heute 70-Jährige kassierte mehrere 100 000 Euro als angeblicher Ideengeber für eine mögliche Fusion der Stadtsparkassen Köln und Düsseldorf. "Der Jupp weiß doch gar nicht, wie man Joint Venture schreibt und was das ist", rief ein Teilnehmer bei der Krisensitzung des Verwaltungsrats der Sparkasse Köln-Bonn und erntete zustimmendes Gelächter. Anderen ist die gute Laune vergangen.

Der "Sündenfall" des Josef Müller kam im Zusammenhang mit den Enthüllungen um den früheren Kölner CDU-Bundestagskandidaten Rolf Bietmann ans Licht. Der Jurist hatte einen mit 900 000 Euro dotierten Beratervertrag mit der Stadtsparkasse Köln-Bonn abgeschlossen. Nach vorläufiger Einschätzung eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers hat Bietmann für dieses Honorar jedoch keine nachweisbare Gegenleistung erbracht. Als dies bekannt wurde, drängte ihn seine eigene Partei zum Rückzug. "Es steht zu befürchten, dass noch mehr Minen hochgehen", sagt ein Ratsmitglied. Bietmann, ehemals Fraktionschef der CDU im Stadtrat, war schon im Zusammenhang mit der Affäre um den Müllunternehmer Trienekens in die Schlagzeilen geraten. Der Politiker hatte den Entsorger anwaltlich vertreten. Es bestand der Verdacht, dass Schmiergelder geflossen seien. Die Kölner Strafverfolger stellten die Ermittlungen im Jahr 2004 gegen eine Geldauflage von 45 000 Euro ein. In der Sparkassen-Affäre wird nun erneut gegen ihn ermittelt: Es gebe einen möglichen Anfangsverdacht der Untreue und der Beihilfe zur Untreue, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Die Stadtoberhäupter von Köln und Düsseldorf, Schramma und Dirk Elbers, setzen sich für eine vollständige Aufklärung der Affäre ein. "Es ist höchste Zeit, dass der Sparkassen-Vorstand alle Informationen auf den Tisch legt. Es darf nicht alles Stückchen für Stückchen ans Licht kommen", erklärte Schramma. "Definitiv ausschließen" könne er, vorab über den Sparkassen-Klüngel informiert gewesen zu sein. Er sei erst am Sonntag über den "Fall Müller" informiert worden. Im eilig zusammengetrommelten Parteivorstand sei über das Thema geredet worden: "Ich bin fast vom Stuhl gefallen, weil ich mit dieser Geschichte überhaupt nicht gerechnet hatte."

Die Klüngelaffäre könnte im Jahr der Kommunalwahl ein Dauerthema werden. Schon wirft die NRW-SPD der Landes-CDU vor, der Affäre Vorschub geleistet zu haben. "Jürgen Rüttgers ist mitverantwortlich dafür, dass sich solche Zustände in Köln halten konnten", kritisierte Michael Groschek, Generalsekretär der NRW-SPD. Schon nach der Trienekens-Affäre im Jahr 2002 hätte die Landes-CDU "auf einem personellen Neustart bestehen" müssen. "Doch die Union hat sich vor der Verantwortung gedrückt. Die Kölner CDU steht vor einem Scherbenhaufen." Ein Angriff, den die CDU nicht auf sich sitzen lässt. "Herr Groschek hat keine Ahnung und erzählt dummes Zeug", kontert Hendrik Wüst, Generalsekretär der NRW-Union. Erst im vergangenen Jahr sei ein neuer CDU-Kreisvorstand in Köln gewählt worden.

Jürgen Roters, früher Regierungspräsident von Köln und jetzt gemeinsamer OB-Kandidat von SPD und Grünen in der Domstadt, erklärte gestern, Bietmann sei der Kern eines "Beutemachersystems", doch möglicherweise seien auch Sozialdemokraten involviert. Unumwunden räumte er ein, 2006 als Freiberufler ein Gutachten zur Entwicklung der Region Köln/Bonn verfasst zu haben. 35 000 Euro habe er als Honorar erhalten. "Ein ganz normaler Vorgang", sagt Roters. Oder doch die Flucht nach vorne?

Die Köln-Düsseldorfer Klüngelaffäre hat die Kommunalpolitiker im ganzen Land aufschrecken lassen. Wurden auch in anderen Städten zweifelhafte Beraterverträge abgeschlossen? Jochen Schäfer, Sprecher der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert, erklärt, solche Berater-Verträge seien undenkbar: "So etwas gibt es unserem Hause nicht." Das hätten sie in Köln und Düsseldorf bis vor wenigen Tagen wohl auch gesagt.

(RP)
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