Berlin Stasi-Check soll weitergehen

Berlin (RP). Die Linke hält es für eine "Phantomdebatte", doch nach Entdeckungen und Vertuschungen in Brandenburg wollen Union, FDP, Grüne und Teile der SPD vom geplanten Schlussstrich unter Stasi-Verstrickungen wieder abrücken.

Stasi-IMs in der Linken
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Die Linke ist empört. Selbst schwere Straftaten verjährten doch nach zehn Jahren. "Soll es nie eine Verjährung für Stasi-Verstrickungen geben?", fragte Luc Jochimsen. Die Ex-Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks, die für die Linke im Bundestag sitzt, meinte es rhetorisch, doch von der FDP kam spontan der Zwischenruf: "Am besten wäre es so!"

Denn nicht nur Union und FDP haben Handlungsbedarf entdeckt. Auch die Grünen sind besorgt über die anhaltenden Stasi-Enthüllungen vor allem im Brandenburger Landtag, wo die SPD erstmals mit der Linken regiert, und wo Regierungschef Matthias Platzeck regelrecht überrollt wurde von einer Welle enttarnter Stasi-Mitarbeiter. Deshalb regten Union und FDP an, die Regelüberprüfung für führende Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst nicht schon 2011 auslaufen zu lassen, sondern mindestens bis 2016 weiter überprüfen zu lassen, ob sie für das damalige Ministerium für Staatssicherheit der DDR gearbeitet haben.

Die SPD war sich zunächst unschlüssig. Ihr Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sah spontan "keinen Anlass" für eine Verlängerung des Stasi-Checks. Dann besann sich die Fraktionsführung eines Besseren. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sagte, bei Amtsträgern in herausgehobenen Positionen sollten die Bürger sicher sein können, dass diese nicht "früher Macht missbraucht" hätten.

Für die Linke war die gestrige Aktuelle Stunde des Bundestages eine "Phantomdebatte", da das geltende Gesetz ja noch bis 2011 ohnehin die Regelüberprüfung vorsehe. Doch Union, FDP und Grüne wollen schon jetzt auch eine nochmalige freiwillige Überprüfung aller Bundestagsabgeordneten. Für manche Politiker wäre dies zwar schon das wiederholte Mal. Doch machte Unionsvize Arnold Vaatz darauf aufmerksam, dass die Stasi-Unterlagenbehörde ja immer mehr Erkenntnisse aus neu ausgewerteten Akten und zusammengefügten Schnipseln gewinne.

Mit zunehmender Fassungslosigkeit hatte die Opposition im brandenburgischen Landtag die fast täglichen neuen Entlarvungen von Linken-Politikern als Stasi-Mitarbeiter verfolgt. Zuletzt zählte die rot-rote Regierungskoalition mindestens sieben Mitglieder mit Stasi-Verstrickungen. Neben längst bekannten wie der prominenten Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser ("IM Kathrin") ergaben sich neue Erkenntnisse etwa über Landtagsvizepräsidentin Gerlinde Stobrawa, die ihr Amt niederlegte, nachdem sie als "IM Marisa" enttarnt worden war.

Der Landtag in Potsdam einigte sich auf eine neuerliche Überprüfung aller Abgeordneten — und berief ein Gremium, das die Frage klären soll, warum es in Brandenburg nie eine funktionierende Stasi-Aufarbeitung gegeben hat. Als erstes Zwischenergebnis verdichteten sich am Wochenende Hinweise darauf, dass in den 90er Jahren eine massive Vertuschungsaktion gelaufen ist. Für Union und FDP im Bund war das Anlass, die Stasi-Kontakte erneut zu hinterfragen. Zumal Rot-Rot in Brandenburg Stasi-Dienstzeiten für die Berechnung von Gratifikationen im öffentlichen Amt künftig mit berücksichtigen will. Insofern kommt auch für die FDP "ein Schlussstrich nicht in Frage".

(RP)
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