Nach Rücktritt von Hans-Peter Friedrich Müller soll Minister werden, Seehofer sucht Job für Friedrich

Düsseldorf · Die Nachfolgediskussion für den zurückgetretenen Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) läuft. Als Favorit gilt der 38-jährige Bildungsstaatssekretär Stefan Müller. Doch CSU-Chef Horst Seehofer hatte zwischenzeitlich noch eine brisante Idee.

Stefan Müller soll Minister werden, Seehofer sucht Job für Friedrich
Foto: dpa, ebe pzi

Er ist beliebt, in der CSU gut vernetzt und Franke. In der Logik der parteipolitischen Auslese hat der CSU-Politiker Stefan Müller, Staatssekretär im Bildungsministerium, gute Voraussetzungen, den zurückgetretenen Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (ebenfalls Franke) nachzufolgen.

In der CSU gilt die Personalie als wahrscheinlichste Variante. Am Montag soll die Nachfolge Friedrichs im CSU-Präsidium beschlossen werden. Doch CSU-Chef Horst Seehofer soll am Sonntag zumindest vorübergehend noch eine andere, überraschende Idee entwickelt haben.

Demnach könnte der am Freitag im Zuge der Ermittlungen gegen den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy zurückgetretene Friedrich zum neuen Landesgruppenchef der CSU im Bundestag befördert werden. Die bisherige Vorsitzende der CSU-Bundestagsabgeordneten, Gerda Hasselfeldt, könnte dann das Landwirtschaftsministerium übernehmen.

Eine solche Rochade hätte den Charme einer Rehabilitierung des beliebten Ministers. Damit wäre Hans-Peter Friedrich wieder im engsten Zirkel der Koalition. Seehofer könnte die aufgebrachte CSU, die über die Demission des beliebten Ministers Friedrich massiv verärgert ist, beruhigen. Ein Landesgruppenchef hat das Gewicht eines Fraktionsvorsitzenden und ist Mitglied des Koalitionsausschusses, des einflussreichsten Gremiums der Koalition. Im Bundestag würde Friedrich für die CSU auf eine Rede der Bundeskanzlerin antworten. Es wäre eine gewagte Personalentscheidung Seehofers.

Rückblick: Hans-Peter Friedrich war am Freitag zurückgetreten, weil er im Herbst vergangenen Jahres als damaliger Bundesinnenminister den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über den Fall Edathy und mögliche Ermittlungen berichtet hatte, um die SPD vor einer möglicherweise fatalen Personalentscheidung zu warnen. Es ging bei den Ermittlungen um ein weltweites Netz an Kinderpornographie.

Nun ist es rechtlich umstritten, ob Friedrich als Innenminister die Informationen seiner ihm unterstellten ermittelnden Behörden weitergeben durfte. Der politische Druck wurde so groß, dass Kanzlerin Merkel Friedrich am Freitag zum Rückzug drängte. In der CSU war der Unmut hernach groß, schließlich lehnt die SPD weiterhin Konsequenzen ab. Dabei hatte SPD-Chef Gabriel die Information von Friedrich bereitwillig an seine Parteifreunde Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann weitergegeben.

Es ist offen, ob und wenn ja, an wen die SPD-Führung die von Friedrich erlangten Informationen weitergab. Gabriel und Oppermann bestreiten jeden Kontakt zu Sebastian Edathy. Edathys Anwälte hatten sich indes schon im November an die Staatsanwaltschaft Hannover gewandt und gefragt, ob es Ermittlungen gegen ihren Mandanten gebe. Zu dem Zeitpunkt gab es lediglich eine mediale Berichterstattung über einen Kinderporno-Ring in Kanada. Konkrete Namen waren nicht bekannt.

Warnte ein SPD-Mann also seinen Parteifreund? Einer Aufhebung der Immunität, die Voraussetzung für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen Bundestagsabgeordneten ist, kam Edathy mit dem Verzicht auf sein Bundestagsmandat Anfang Februar zuvor. Auch dieser Zeitpunkt irritiert. Bei der Hausdurchsuchung Monate später fanden die Fahnder bei Edathy Spuren von gelöschten Festplatten. Edathy bestreitet, dass er Beweise vernichtet habe.

Dass in Berlin bisher nur CSU-Minister Friedrich Konsequenzen ziehen musste, stößt in der Union daher übel auf. CDU-Vize Armin Laschet verlangte bereits eine eidesstaatliche Versicherung der SPD-Führung, in der sie bestätigen sollen, dass sie keine Informationen weitergegeben haben. Das Klima ist vergiftet.

CSU-Chef Horst Seehofer warf der SPD Geschwätzigkeit vor. CSU-Generalsekretär Andy Scheuer legt Oppermann den Rücktritt nahe. Dass Seehofer in dieser Gemengelage daran denkt, den in der Partei überaus beliebten Hans-Peter Friedrich als Chef der Landesgruppe aufzuwerten, könnte das Selbstbewusstsein der Christsozialen wieder anheben.

Hasselfeldt will nicht ins Kabinett

Allerdings müssten zwei Frauen dieser Rochade zustimmen. Gerda Hasselfeldt und Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin dürfte kein Interesse daran haben, dass der von ihr geschasste Friedrich plötzlich als Landesgruppenchef wieder am Verhandlungstisch sitzt. Und Gerda Hasselfeldt wehrte schon in den Koalitionsverhandlungen im Herbst partout jeden Posten im Kabinett ab. Den machtvollen Job an der Fraktionsspitze will Hasselfeldt behalten.

Einem Ministeramt müsste außerdem Merkel zustimmen, auch wenn die CSU formal das Zugriffsrecht hat. Da sich die beiden Frauen zudem überaus gut verstehen, könnte es sein, dass sich Seehofer am Ende nicht durchsetzt und doch Stefan Müller, die solide und unumstrittene personelle Variante, ins Kabinett befördert.

Damit dürfte die CSU an anderer Stelle auf Rache sinnen. Dass die selbstbewussten Bayern auf einen ihrer Minister verzichten müssen, der Koalitionspartner SPD keine Federn lässt und zudem die Kanzlerin Personalentscheidungen der CSU blockiert, dürfte die Stimmung in München nicht gerade aufhellen.

Die Karriere von Hans-Peter Friedrich ist jedenfalls noch nicht beendet, wie die Idee Seehofers zeigt. Auch wenn am Montag Stefan Müller als neuer Landwirtschaftsminister ernannt werden könnte.

(brö)
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