Auf- und Absteiger beim Parteitag der Liberalen Stehauf-Mann, Degradierte und ein Lästerer

Berlin · Lange hing bei der FDP-Familie der Haussegen schief. Misstrauen, Sticheleien und Schuldzuweisungen vergifteten die Atmosphäre. Nach der Neuwahl der Führung am Wochenende soll nun Harmonie einkehren. Viele Spitzenliberale haben aber noch eine Rechnung miteinander offen.

Sieger und Verlierer beim FDP-Parteitag im März 2013
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Der Stehauf-Mann:

Ein paar Prozentpunkte weniger bei der Niedersachsen-Wahl im Januar, und Philipp Rösler wäre nicht mehr Parteichef. Es kam anders. Mit knapp 86 Prozent wählten die Delegierten nun den wiedererstarkten Rösler erneut zum Parteichef. Rösler traf mit seiner Parteitagsrede diesmal den Nerv der Basis: Endlich zeigt sich der Chef kampfeslustig, lobten viele Delegierte. Dass Rösler seinen Rivalen Rainer Brüderle vor kurzem im FDP-internen Machtkampf ausbootete, brachte ihm zusätzlich Respekt ein. Außerdem hilfreich für Rösler: Die FDP ist des Streitens müde, sie will die Führungsdebatte beenden.

Der Altmeister:

So flüchtig ist die Macht: Vor wenigen Wochen noch galt Fraktionschef Rainer Brüderle als heimlicher Parteichef. Nun ist er zurechtgestutzt, Rösler hat sich als Nummer eins durchgesetzt. Dass Brüderle den von Rösler angebotenen Parteivorsitz ausschlug, ließ ihn als Zauderer erscheinen. Die Sexismus-Affäre belastete Brüderle zusätzlich. Die FDP führt er nun als Spitzenkandidat in die Wahl. Die Delegierten mögen Brüderle wegen seiner leidenschaftlichen Reden. Brüderles Leidenschaft kühlt freilich spürbar ab, wenn es um Rösler geht.

Der Hoffnungsträger:

Auch den neuen Vizevorsitzenden Christian Lindner verbindet eine schwierige Geschichte mit Rösler. Lindner warf 2011 als Röslers Generalsekretär hin, sein Abgang wurde als Affront gegen Rösler gewertet. Röslers Vertrauen wird sich Lindner hart erarbeiten müssen. Auch an der Basis gibt es noch Zweifel, Lindners Parteitagsergebnis von 77,8 Prozent war nicht glänzend. Scharfsinn und rhetorische Brillanz haben Lindner aber den Ruf als Nachwuchshoffnung der FDP eingebracht. Seine Fans sehen ihn als künftigen Parteichef.

Der Abgestrafte:

Für Entwicklungsminister Dirk Niebel bewahrheitete sich die alte Weisheit: Man liebt den Verrat - nicht den Verräter. Die Delegierten straften Niebel ab und ließen ihn bei der Wahl ins Parteipräsidium durchfallen. Niebel hatte vor der Niedersachsen-Wahl den Parteichef Rösler offen in Frage gestellt. Zwar teilten viele Liberale Niebels Zweifel, doch verübelten sie ihm, dass er diese allzu öffentlich kundtat.

Die Absteigerin:

Schritt für Schritt lässt sich Birgit Homburger von ihrer Partei demontieren. Vor zwei Jahren wurde sie vom mächtigen Fraktionsvorsitz auf den Posten der Vizeparteichefin abgeschoben. Bei der Wiederwahl ließen die Delegierten sie nun durchfallen, die Baden-Württembergerin wurde mit einem Beisitzerposten im Präsidium abgespeist - mit schwachem Wahlergebnis. Dabei gilt Homburger als fleißig und loyal. Ihr Problem: Viele Liberale finden die streitbare Schwäbin etwas anstrengend.

Der Lästerer:

Mit Inbrunst spielt der Nord-Liberale Wolfgang Kubicki die Rolle des Enfant terrible der FDP. Bei der Kampfkandidatur fürs Präsidium setzte er sich überraschend gegen die Minister Dirk Niebel und Daniel Bahr durch. Es ist fast paradox: Die Delegierten wählten Niebel wegen Illoyalität ab - und machten ausgerechnet den leidenschaftlichen Lästerer Kubicki zum Nachfolger. Eine Kubicki-Kostprobe aus jüngerer Zeit: "Die FDP hat als Marke generell verschissen." Viele in der FDP haben noch eine Rechnung mit Kubicki offen.

Der Mann aus dem Osten:

Um ein Haar wäre die FDP ohne Vertreter aus Ostdeutschland in der Führung dagestanden. Sachsens Landeschef Holger Zastrow setzte sich in der Kampfkandidatur um den Vize-Parteivorsitz knapp gegen Homburger durch. Zastrow verkörpert den liberalen Mittelstand, er besitzt eine Marketing-Agentur in Dresden. Mindestlöhne sieht Zastrow kritisch, ebenso die Energiewende. Rösler bezeichnet Zastrow liebevoll als "Dickkopf", schätzt ihn aber für seine Loyalität.

(AFP/pst)
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