Niedersachsens Regierungschef Weil Abwrackprämie für Kühlschränke? "Warum nicht?"

Niedersachens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) fordert im Interview mit unserer Redaktion von seiner Partei eine bessere Wirtschaftspolitik und gezielte steuerliche Anreize für Investitionen. Außerdem kritisiert er einen berühmten Vorgänger, Gerhard Schröder, für dessen undifferenzierte Russland-Position.

 Stephan Weil (SPD) ist seit Februar 2013 Ministerpräsident von Niedersachsen.

Stephan Weil (SPD) ist seit Februar 2013 Ministerpräsident von Niedersachsen.

Foto: dpa, hoh

Herr Weil, die Feier zum Tag der Deutschen Einheit fand dieses Jahr in Hannover statt. Wo stehen wir beim Zusammenwachsen zwischen Ost und West?

Weil Wir sind schon sehr weit. Ich glaube, dass die einstige Trennung zwischen Ost und West bei der jungen Generation schon kein Thema mehr ist. Auch in der Politik wird über vieles nicht mehr gestritten, was vor Jahren dieGemüter bewegt hat. Das entspannt die Lage.

Die Bund-Länder-Verhandlungen werden sachlicher geführt und ohne alte Ost-West-Gräben?

Weil So ist es. Die im Osten erbrachte Aufbauleistung ist unglaublich, aber auch die im Westen bewiesene Solidarität. Jetzt müssen wir den Blick auf Regionen mit Investitionsbedarf in Ost und West richten. Das verstehen auch viele meiner Kollegen in den östlichen Bundesländern.

Was kommt nach dem Soli?

Weil In der bisherigen Form wird der Soli schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Perspektive haben. Ich glaube aber nicht, dass wir angesichts der wachsenden Investitionsnotwendigkeiten bei Infrastruktur und Bildung auf die jetzt rund 14 Milliarden Euro jährlich verzichten können.

Bundesfinanzminister Schäuble möchte das Geld in das Einkommensteuersystem integrieren. Im Klartext: Löcher im Etat stopfen.

Weil Das ist sicher eine geeignete Diskussionsgrundlage. Länder und Kommunen müssen in der Lage sein, mehr in Infrastruktur und Bildung zu investieren. Vielleicht gelingt es mit der Soli-Integration auch schrittweise die kalte Progression in der Einkommensteuer abzubauen. Es kann nicht sein, dass ein Teil einer Lohnerhöhung beim Fiskus landet. Diese Ungerechtigkeit sollten wir beseitigen. Je schneller, desto besser. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Beteiligung der Länder am Soliaufkommen.

Vor 2017 wird das angesichts des Widerstands der Kanzlerin wohl nichts.

Weil Wir sollten in dieser Legislaturperiode aber wenigstens den Einstieg in eine Entlastung der mittleren Einkommensbezieher bei der kalten Progression schaffen.

Der SPD-Teil der Bundesregierung legt ein Gesetz nach dem anderen vor. Mindestlohn, Rente mit 63, Elterngeld Plus, Fracking-Verbot. In den Umfragen liegt die SPD dennoch nur bei 25 Prozent. Regiert die SPD an den Menschen vorbei?

Weil Es gibt viel Zustimmung zu den Maßnahmen, die Sie genannt haben. Das reicht aber nicht. Die SPD muss nochstärker ihre Kompetenz in Sachen Arbeit und Wirtschaftunter Beweis stellen, Konzepte zur Sicherung von Arbeitsplätzen entwickeln und Wachstum gezielt fördern.

Die SPD stellt erstmals seit Jahrzehnten wieder den Wirtschaftsminister. Sie haben es doch in der Hand?

Weil Sigmar Gabriel hat mit der EEG-Reform einen wichtigen Schritt getan, um Industrie und Haushalte bei den Energiekosten nicht weiter zu belasten. Es gibt eine Lehre aus der Geschichte der SPD: Immer wenn wir unsüberzeugend für Arbeitsplätze und für soziale Gerechtigkeit eingesetzt haben, waren wir mehrheitsfähig. Der Weg zurück zu einem solchen Profil dauert natürlich, aber wir müssen ihn konsequent gehen.

Zum Beispiel, in dem sie eine degressive Abschreibung für die Wirtschaft einführen?

Weil Eine steuerliche Erleichterung der Abschreibungen istinsbesondere bei den Forschungs- und Entwicklungskosten diskutabel. Aber es gibt auch noch andere Themen. Zum Beispiel sollten wir diskutieren, wie wir Anreize für Investitionen in Energieeffizienz setzen können. Das ist ein schlafender Riese.

Eine Abwrackprämie für Kühlschränke?

Weil Warum nicht? Ich denke aber eher an steuerliche Anreize für Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden.

Wie geht das mit dem Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts einher?

Weil Im Idealfall geht beides wegen der ausgelösten Investitionen und den damit verbundenen Steuereinnahmen zusammen. Dass es in Deutschland einen massiven Investitionsstau bei der Infrastruktur und bei der Energieeffizienz gibt, bestreitet keiner. Investitionen in die Zukunft werden das Thema der kommenden Jahre sein. Die Schuldenbremse hat bei der Möglichkeit für langfristige Investitionen einen Konstruktionsfehler. Die wenigsten Unternehmen können solche Investitionen aus dem Cash Flow finanzieren. Auch der Staat muss sich hieretwas einfallen lassen, wie mehr privates Kapital füröffentliche Investitionen mobilisiert werden kann.

Wie lässt sich ein stärkeres Wirtschaftsprofil entwickeln, wenn die SPD in Thüringen mit einem Linken-Ministerpräsidenten kungelt, obwohl die CDU als Partner zur Verfügung steht.

Weil Bündnisse entscheiden die Länder, aber es ist keine gewagte These, dass das schlechte Ergebnis der SPD in Thüringen auch auf die unklaren Aussagen im Wahlkampf in Bezug auf die künftigen Bündnispartner zurückzuführen ist.

Ist das Freihandelsabkommen mit den USA ein Thema, mit dem die SPD als Wirtschaftspartei punkten kann?

Weil Natürlich. Es gibt große Chancen für Deutschland durch ein transatlantisches Freihandelsabkommen. Darauf muss auch die SPD hinweisen. Aber die Standards dürfen nicht abgesenkt werden und ein gesonderter Investorenschutz ist unnötig, wenn gefestigte Rechtsstaaten ein Abkommen schließen.

Wie eng tauschen Sie sich mit Hannelore Kraft aus?

Weil Sehr eng. In der Industriepolitik etwa ziehen wir an einem Strang. Wir verfolgen im Bundesrat gemeinsame Interessen. Ich bin mir mit Hannelore Kraft typischerweisesehr einig.

Ihr Vorgänger David McAllister hat sich mit Stolz als Provinzpolitiker bezeichnet. Er distanzierte sich vom Berliner Politikbetrieb. Sie mischen sich wieder stärker in der Bundespolitik ein, richtig?

Weil Das ist Teil meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Ich bereise Niedersachsen sehr viel und sehr gerne, aber dass ich mich in der Bundespolitik einmische, wenn esnötig ist, ist eine Selbstverständlichkeit für einen Ministerpräsidenten.

Ihr Parteifreund, der frühere Bundeskanzler und frühere niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder betätigt sich in diesen Tagen sehr offensiv als Marketingchef für Russland, obwohl dieses Land in der Krim-Krise Völkerrecht gebrochen hat. Wie finden Sie das?

Weil Es gibt viele gemeinsame Interessen zwischen Deutschland und Russland. Der Kontakt muss weiter gepflegt werden. Dass wir aber gleichzeitig auch den Völkerrechtsbruch auf der Krim ansprechen müssen, liegt für mich auf der Hand.

Michael Bröcker führte das Gespräch

(brö)
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