Ministerin von der Leyen Strahlefrau mit Kratzern

Berlin (RP). Ursula von der Leyen, der einstige Star im Bundeskabinett, ist nach zwei Jahren als Arbeitsministerin auf Normalmaß geschrumpft. Ihr fehlen in dieser Legislaturperiode Geschick und ein Prestigeprojekt.

 Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will im Zweifel eine Frauenquote per Gesetz.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will im Zweifel eine Frauenquote per Gesetz.

Foto: dapd, dapd

Neben der Elefantendame Indra sieht Ursula von der Leyen noch zierlicher aus als sonst. Die Bundesarbeitsministerin hat der "Super Illu" ein Interview gegeben, nun posiert sie für ein passendes Foto noch schnell neben dem Rüsseltier aus dem Hannoveraner Zoo. Ob sie Angst vor "großen Tieren" in der Politik habe, fragen sie die Kollegen von der ostdeutschen Zeitschrift. Größe sage noch lange nichts über den Inhalt aus, kontert lachend die CDU-Ministerin, die nur einen Meter sechzig misst.

 Zäher Hartz-Streit: Manuela Schwesig, Ursula von der Leyen.

Zäher Hartz-Streit: Manuela Schwesig, Ursula von der Leyen.

Foto: dapd, dapd

Substanz oder heiße Luft?

"Im Tagesgeschäft sieht man früher oder später, welche großen Namen gerne mit heißer Luft handeln und wo Fleiß und Substanz dahinterstecken." Auch für von der Leyen selbst ist das Tagesgeschäft mühsamer geworden. Auch ihren großen Namen verbinden viele in der Opposition zwei Jahre nach Beginn ihrer zweiten Amtsperiode in der Bundespolitik eher mit heißer Luft als mit Substanz.

"Von der Leyen galt lange als Glücksfall für das konservative Lager. Aber als Arbeits- und Sozialministerin gelingt ihr im Grunde nicht viel", resümiert etwa Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Früher, als Familienministerin, habe von der Leyen "wirklich Bella Figura gemacht", meint auch SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. "Aber jetzt findet sie eigentlich bei keinem Thema den richtigen Ansatz."

Das Image hat dicke Kratzer

Unerschrocken, energisch, durchsetzungsstark — so gibt sich die siebenfache Mutter, Ärztin und Karrieretochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) immer noch. Doch ihr Image als wirkmächtige Alphafrau, der fast alles gelingt, hat Kratzer bekommen — spätestens seitdem sie im Juni 2010 tagelang heißeste Kandidatin für das Bundespräsidentenamt war und es dann doch nicht wurde.

Das hat die Erfolgsfrau geknickt und ihr Verhältnis zu Christian Wulff getrübt, der das Rennen machte. Später lief sich von der Leyen noch dazu im endlosen Hartz-IV-Kleinkrieg mit SPD-Frontfrau Manuela Schwesig wund. Das politische Detailgeschäft ist nicht ihre Sache. Als Intellektuelle möchte sie lieber die großen Linien der Politik vorzeichnen, Projekte anstoßen und alte Zöpfe abschneiden.

Es fehlt ein Projekt

Bis 2009 ist ihr das frappierend oft gelungen: Sie hat als Familienministerin das Elterngeld eingeführt und den Kita-Ausbau vorangetrieben — beides echte Großprojekte, für die nicht die Union, sondern die SPD gestanden hatte. Beides Erfolgsthemen, die heute trotz aller Widerstände mancher Konservativer auf das Haben-Konto der Merkel-CDU gehen.

Doch in ihrer zweiten Amtsperiode, als Arbeits- und Sozialministerin, fehlt von der Leyen das große eigene Prestigeprojekt. Der Arbeitsmarkt — er läuft im Konjunkturaufschwung gewissermaßen wie am Schnürchen, die Arbeitslosigkeit sinkt und sinkt. "Die Ministerin", ätzt Grünen-Politikerin Pothmer, "sonnt sich im schönen Schein der guten Arbeitsmarktzahlen — und kalkuliert damit, dass sich in deren Windschatten keiner mehr so richtig für die immer noch vielen Langzeitarbeitslosen interessiert." Eigentlich hatte von der Leyen das Bildungs- und Teilhabepaket für Hartz-IV-Kinder als ihr neues Großprojekt ausgeguckt.

Die Chipkarte kam einfach nicht

Ihr Kalkül: Es sollte nicht einfach nur den Kindern aus Hartz-IV-Familien, sondern bald auch grundsätzlich allen Kindern in Deutschland Gutes bringen. Die Chip-Karte für die Hartz-IV-Kinder sollte mit Geld vom Staat aufgeladen werden, die für alle übrigen Kinder mit privatem Geld von den Eltern oder Großeltern. Nicht nur Hartz-IV-Kinder sollten Leistungen wie Beiträge für Sportvereine, Musikschulen oder Nachhilfeunterricht mit der Chip-Karte einfacher abrufen können, sondern später einmal alle Kinder. Eine schöne Idee. Doch daraus wurde nichts: Kommunen und Länder legten sich quer, die Opposition zerschoss von der Leyens Blütenträume. Die Chip-Karte kam einfach nicht.

Das Bildungs- und Teilhabepaket für Hartz-IV-Familien startete zudem mit erheblicher Zeitverzögerung in diesem Jahr. Bis heute hat es allenfalls ein Drittel der Familien beantragt, die es beanspruchen können — das bleibt an von der Leyen hängen. Immer wieder muss die Ministerin erklären, warum es der Staat nicht schafft, die vom Verfassungsgericht vorgeschriebenen Sozialleistungen zum bedürftigen Kind zu bringen.

Uneins mit Ministerin Schröder

Nach dem Hartz-IV-Fiasko suchte von der Leyen nach einem Erfolgsthema in ihrem früheren Beritt, der Familien- und Frauenpolitik. Unerschrocken fordert sie eine Frauenquote von 30 Prozent in den Führungsgremien der größten deutschen Unternehmen. In der CDU gehört sie damit zu einer Minderheit, die männliche Mehrheit und eilfertig dann auch die Kanzlerin und CDU-Chefin lehnen eine Quote ab. Auch ihre Nachfolgerin im Amt der Familienministerin reagierte not amused: Kristina Schröder, eine neokonservative 33-Jährige, ist gegen die Frauenquote. Schröder findet, das weibliche Geschlecht brauche heute keine spezielle Förderung mehr.

Angreifbar wird von der Leyen auch, weil sie den größten Etat im Bundeshaushalt verwaltet — und deshalb jetzt am meisten sparen muss. Acht Milliarden Euro muss sie bis 2015 aus ihrem 131-Milliarden-Etat streichen, hat ihr der Bundesfinanzminister vorgegeben. Als Erstes ging von der Leyen an den Zuschuss für Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollen. Arbeitsmarktexperten halten es für falsch, dass die Ministerin ausgerechnet bei einem der erfolgreichsten arbeitsmarktpolitischen Instrumente den Rotstift ansetzt. Doch die Legislaturperiode ist erst halb rum.

Stichwort Arbeitselefant

Zwei Jahre noch, in denen von der Leyen zu alter Stärke zurückfinden kann. Vielleicht hilft ihr dabei der Gedanke an den Besuch bei Elefantendame Indra. Elefanten seien "erstens intelligent, zweitens grundsätzlich freundlich. Sie haben ein sehr gutes Gedächtnis, und sie sind fleißig — Stichwort Arbeitselefant. "Das mag ich", sagt sie.

(RP)
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