Streit bei den Genossen Der Wahlverlierer Steinbrück gibt der SPD Wahlkampftipps

Berlin · In bitterbösem Ton rechnet der Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit den Fehlern seiner Partei ab. Und den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz spart er dabei nicht aus.

 Peer Steinbrück (Archivaufnahme).

Peer Steinbrück (Archivaufnahme).

Foto: dpa, ped sab tba

Was die Sozialdemokraten nach den krachenden Niederlagen bei den Landtagswahlen gebrauchen können, sind Geschlossenheit und Debatten über ihre Inhalte. Was sie nicht gebrauchen können, ist Streit in den eigenen Reihen.

Den hat nun ausgerechnet Wahlverlierer Peer Steinbrück angezettelt. In einem Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte Steinbrück, das 100-Prozent-Ergebnis beim Bundesparteitag für Schulz als neuen Parteichef sei vergiftet. "Die Partei saß plötzlich auf Wolke sieben, es hat sich ein Realitätsverlust eingestellt, und das Publikum hat sich gewundert: Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?", sagte der ehemalige Finanzminister spöttisch.

"Schulz fokussiert sich zu stark auf die Gerechtigkeitsfrage"

Außerdem sei die Kampagne von Schulz zu stark auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet, kritisierte Steinbrück, der 2013 nach einem vermurksten Wahlkampf haushoch gegen Merkel verlor - die SPD erreichte 25,7, die Union kam auf 41,5 Prozent. "Ich gebe aber allen recht, die sagen: Die Konzentration auf die Gerechtigkeit reicht nicht, es muss etwas dazukommen, das Fortschritt, Zukunftsoptionen verdeutlicht", sagte er der "FAS".

Und als ob das nicht für genug Unmut im Willy-Brandt-Haus sorgen würde, griff Steinbrück die eigene Partei auch in der "Bild am Sonntag" an. Dort riet er der SPD, nach der Wahl keine Koalition mit Linken und Grünen einzugehen. Besser wäre eine Annäherung an die FDP. Die Genossen seien "häufig zu verbiestert, wahnsinnig überzeugt von der eigenen Mission", sagte er in der "FAS". Und: "Der Begriff der Heulsusen trifft gelegentlich den Gemütszustand der SPD. Nur wehe, Sie sprechen ihn aus."

Steinbrück, mit dem viele in der SPD nie warm wurden, zog sich nach der Niederlage aus der Parteiarbeit zurück, verließ 2016 den Bundestag und arbeitet heute für die Helmut-Schmidt-Stiftung und berät als Lobbyist den Vorstand der Ing-Diba-Bank. Ab Juli geht er mit dem Kabarettisten Florian Schroeder auf Tour, die Interviews dienten nun der Werbung.

Viele Parteimitglieder sind verärgert

Führende Genossen toben vor Zorn. Alt-Kanzler Gerhard Schröder soll laut "Bild" zu Vertrauten gesagt haben, Steinbrück sei ein "Spießbürger, der versucht, sich einen intellektuellen Anstrich zu geben. Und das mögen wir nicht." Martin Schulz betonte im Willy-Brandt-Haus, weiter auf das Thema Gerechtigkeit setzen zu wollen.

In Umfragen setzt die SPD ihre Talfahrt aber fort: Nach dem Emnid-Sonntagstrend der "Bild am Sonntag" verliert die SPD einen weiteren Punkt auf jetzt 25 Prozent. Die Union bleibt unverändert bei 38 Prozent. FDP, Grüne, Linke und AfD erreichen acht Prozent.

(jd)
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