Rechtsextreme Tendenzen Streit bei den Piraten kommt den anderen gelegen

Berlin · Das Drunter und Drüber in der Piratenpartei um rechtsextreme Tendenzen ist ein gefundenes Fressen für andere Parteien. Wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen attackierten Grüne, FDP und Linke die Piraten und drangen auf Distanzierung vom "braunen Sumpf".

Erste Bundespressekonferenz der Piratenpartei
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Linke-Chef Klaus Ernst bot ihnen allerdings auch die Hand für künftige Bündnisse. Diese seien möglich, wenn die Piraten etwa für einen Mindestlohn und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr kämpften.

Im Berliner Landesverband droht aber erst einmal Ungemach: Gegner bereiten Unterschriftenlisten vor, um einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen. Das sagte Parteisprecher Philip Brechler der dapd und bestätigte damit einen Bericht des "Tagesspiegel".

Hintergrund ist sind Rücktrittsforderungen an Landeschef Hartmut Semken. Er steht in der Kritik, weil er eine scharfe Abgrenzung von rechtem Gedankengut ablehnte. Dennoch hält Semken an seinem Amt fest.

Unerfahrenheit vieler Mitglieder

Der Piraten-Bundesvorsitzende Sebastian Nerz versuchte die Wogen zu glätten und entschuldigte die sich häufenden Fehltritte mit der Unerfahrenheit vieler Mitglieder. So hatte der Fraktionsgeschäftsführer der Berliner Piraten, Martin Delius, im Nachrichtenmagazin "Spiegel" für Empörung gesorgt mit der Äußerung:

"Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933." Später entschuldigte er sich dafür und zog seine Kandidatur für den Posten des Politischen Geschäftsführers der Partei zurück.

Nerz ruft zu mehr Vorsicht im Umgang mit Medien auf

Nerz sagte, Delius habe einen Fehler begangen, den man nur einmal mache. Er empfahl seinen Parteikollegen, wenige Tage vor dem Bundesparteitag vorsichtiger im Umgang mit Journalisten zu sein.
Delius umstrittene Äußerung führte Nerz auf Medienunerfahrenheit zurück. Viele Piraten könnten noch zu wenig einschätzen, welche Folgen ein Kommentar haben könne.

Grüne-Chefin Claudia Roth wollte aber keinen Anfänger-Bonus gelten lassen. Dass Delius den Erfolg der Piraten mit dem der NSDAP vergleiche, könne nicht mit geringer Erfahrung entschuldigt werden, sagte sie der "Welt". Die Meinungsfreiheit stoße an ihre Grenzen, wenn der Holocaust geleugnet oder Nazi-Verbrechen relativiert würden, ergänzte sie später vor Journalisten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte: "Die übergroße Mehrheit der Piraten hat mit Rechtsextremismus nichts am Hut." Allerdings falle es den Piraten schwer, eine Grenze zu ziehen.
"Viele von ihnen glauben, jede Meinung gelten lassen zu müssen, selbst in der eigenen Partei, auch wenn sie diese Meinung selbst ekelhaft finden", sagte Beck dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Berliner Mitglieder arbeiten schon an Unterschriftenlisten

Im Berliner Landesverband bereiten mehrere Mitglieder offenbar eine Unterschriftenliste für einen Sonderparteitag vor. Im "Tagesspiegel" sagte Parteisprecher Brechler, mindestens zehn Prozent der Mitglieder müssten dafür unterzeichnen.

Die FDP nutzt derweil die offene Flanke der Piraten aus. Der Vize-Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Bundestag, Volker Wissing, bezeichnete die Piraten als "Steuererhöhungspartei". Denn der Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, Joachim Paul, hatte im "Handelsblatt" über Steuererhöhung nachgedacht. "Wir sind an der Stelle nicht feige", sagte Paul dem Blatt und fing sich eine heftige Schelte von Wissing ein. Er schimpfte: "Egal ob rot, grün oder orange, sie alle finden Steuern erhöhen mache seliger, als Ausgaben senken."

(APD)
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