Streit zwischen CDU und CSU Merkels Quadratur des Kreises mit Seehofer

Berlin · Den ganzen Sonntag mühten sich die Unionsspitzen über einem Kompromiss um die Obergrenze - eine Einigung scheint in Sicht.

 Merkel und Seehofer im Gespräch (Archivbild).

Merkel und Seehofer im Gespräch (Archivbild).

Foto: dpa, bvj

Nun ist der Kreis wohl tatsächlich quadratisch geworden. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der CSU-Chef Horst Seehofer haben am Sonntag in Berlin in der Flüchtlingspolitik nach stundenlangem Ringen einen Kompromiss gefunden. Merkel hatte es am Samstag beim "Deutschlandtag" der Jungen Union in Aussicht gestellt, wenn denn nur ein "wenig guter Wille" vorhanden sei. Nach ersten Informationen war nur noch nicht ganz klar, ob das künftige Gebilde eher rund oder eckig ist. Denn es soll eine Begrenzung der neuankommenden Migranten geben, aber das soll nicht Obergrenze heißen.

Die Nachrichtenagenturen meldeten, es werde ein Paket zur Migrations-, Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik geben, wonach 200.000 Menschen aus humanitären Gründen und im Zuge des Familiennachzugs aufgenommen werden können. Es solle aber zugleich niemand an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Ausgehandelt haben das unter der Gesprächsführung von Merkel und Seehofer jeweils vier weitere Spitzen der Schwesterparteien im fünften Stock des Konrad-Adenauer-Hauses: Für die CDU Kanzleramtschef Peter Altmaier, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Generalsekretär Peter Tauber und Fraktionschef Volker Kauder. Für die CSU Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas Scheuer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion in München, Thomas Kreuzer.

Im Wahlkampf hatte Seehofer die Obergrenze versprochen und Merkel eine Garantie für ihr Nein zu einer Obergrenze abgegeben. Die CSU drängt die CDU insgesamt zu einer Kurskorrektur: Die Union soll wieder nach rechts rücken, konservativer werden. Die Kanzlerin muss nun aufpassen, dass ihr nicht die Zügel aus der Hand geschlagen werden. Seehofer war mit einem Zehn-Punkte-Papier nach Berlin gereist, in dem die CSU begründete, "warum die Union eine bürgerlich-konservative Erneuerung braucht".

CSU macht Druck auf Merkel

Manche Punkte lesen sich wie eine Ohrfeige für die CDU-Vorsitzende, die die Union in den vergangenen Jahren inhaltlich modernisiert und weit in die Mitte gerückt hat. "Wenn bis auf die CSU alle etablierten Parteien links der Mitte wahrgenommen werden, dann ist das ein Problem", heißt es bei der CSU. CDU und CSU müssten künftig gemeinsam "auf derselben Seite und für bürgerliche Überzeugungen" stehen - "für liberale und christlich-soziale ebenso wie für konservative". Zur Offenheit und Freiheit gehörten "auch Obergrenze und Leitkultur", schrieb die CSU. Denn grenzenlose Freiheit mache Angst - und die sei der größte Feind der offenen Gesellschaft. Die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland lässt sich aber faktisch nicht begrenzen - es sei denn, Deutschland würde sich als EU-Kernland aufstellen wie Ungarn unter Viktor Orbán und seine Grenzen einfach dichtmachen. Und gegen EU-Recht und das Grundgesetz verstoßen. So sieht es jedenfalls Merkel.

Wie ernst die Lage für CSU und CDU durch ihren Dauerstreit bereits geworden ist, zeigte am Samstag bei der JU Merkels Warnung vor einer möglichen Spaltung. Alle müssten alles geben, damit es die Union auch weiterhin gebe, mahnte sie. Sie werde auch selbst alles in ihrer Macht Stehende dafür tun.

Merkel für Sonderparteitag

So ging sie auf die Klage eines ihrer größten internen Kritiker ein: Jens Spahn. Der Finanzstaatssekretär beklagte in Dresden, es sei in den CDU-Gremien nicht über die Probleme mit der Flüchtlingspolitik gesprochen worden, obwohl mit dieser ein "Elefant im Raum" gestanden habe. Merkel wies das zurück, gelobte aber "Besserung". Und sie ging auf die Basis zu, indem sie einen Sonderparteitag der CDU zur Verabschiedung eines Jamaika-Koalitionsvertrages unterstützt. Auch das ist neu.

Der Druck in den eigenen Reihen auf Merkel und Seehofer ist weiterhin so groß, dass sie jetzt den Riss nachhaltig kitten, den sie gemeinsam zu verantworten haben. "Wir erwarten, dass es am Montag losgeht", hatte JU-Chef Paul Ziemiak in Dresden gerufen. Vermutlich wird aber noch die Niedersachsen-Wahl am Sonntag abgewartet. EU-Kommissar Günther Oettinger forderte: "Jeder muss jetzt nachgeben." Das münzte er sowohl auf CDU und CSU als auch auf Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen. Vor Weihnachten müsse die neue Regierung stehen.

Außerdem müsse sich die Union um einen Generationenwechsel kümmern. In vier Jahren, müssten frische Köpfe im Spitzenteam sein, mahnte er. Die jetzige Garde von und um Merkel werde "noch vier Jahre gebraucht". Aber: Sie müsse ergänzt werden um Talente, die jetzt zwischen 30 und 40 Jahre alt seien. Dieser Generationenwechsel müsse mit Merkel eingeleitet werden. Das bedeutet, dass Oettinger eine fünfte Amtszeit von Merkel als Kanzlerin nicht in Betracht zieht. CSU-Mann Dobrindt ruft: "Wir brauchen mehr Jens Spahns."

(kd/mar)
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