Verunglückte Kampagnen in der Politik Ein Foto kann fatale Folgen haben

Düsseldorf · Mit ihrer Selbstumarmung hat NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) den Spott von Opposition, Medien und auf Facebook auf sich gezogen. Unfreiwillig setzt sie damit eine politische Tradition von Flop-Kampagnen fort. Dass ein verunglücktes "Posing" verheerende Wirkungen haben kann, wissen Kommunikationsforscher spätestens seit der Vereidigung von Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten im August 1919.

NRW-Grüne kommentieren Gleichberechtigung vor der Kamera
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Foto: Die Grünen NRW

Der SPD-Politiker und der Reichswehrminister Gustav Noske zierten zu diesem Anlass die Titelseiten verschiedener Zeitungen. Und zwar halbnackt in schlabbrigen Badehosen im Meer stehend. Damals galt die Hose statt des Anzuges noch als "unzüchtig", und das Bild diente den Gegnern der Weimarer Republik zur Verunglimpfung des gesamten Systems. Dabei hatten die Politiker sich darauf verlassen, dass das von einem Strandfotografen zufällig geschossene Bild lediglich eine "private Erinnerung" sein sollte.

Ganz bewusst vor herbeigebetenen Foto- und Filmkameras ging 69 Jahre später der damalige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) baden. Vielleicht hatte er die Ebert-Bilder vor Augen, als er sich für einen Taucheranzug entschied und auch im sportlichen Kraul-Stil durch die Fluten schnitt: Seine politische Botschaft: Seht her, die Umwelt ist wieder so in Ordnung, dass man sogar schon wieder im Rhein schwimmen kann. Für viele blieben diese Bilder trotzdem gewöhnungsbedürftig.

Einen kostete es das Amt

Dagegen gingen die Planschbilder von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) 2001 völlig daneben. Für den "Bunte"-Fotografen hatte sich der stets als hölzern beschriebene Politiker offenbar ein deutlich lockereres Image voller menschlicher Nähe zulegen wollen, als er sich auf Mallorca mit Freundin Kristina Gräfin Pilati bei fröhlich-spritzigen Wasserspielchen festhalten ließ. Sein Pech: Als die Story erschien, bereitete sich die Truppe gerade auf einen gefährlichen Balkan-Einsatz vor. Sein Glück: Als die Wogen über diese Peinlichkeit hochkochten, ereigneten sich die verheerenden Anschläge in den USA. So blieb er im Amt, musste erst im folgenden Jahr gehen, als dem Kanzler nach Berichten über Scharpings finanzielle Beziehungen zu PR-Berater Moritz Hunzinger der Kragen platzte.

Peinliche Wahlkampf-Ideen
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Als grenzwertig empfanden viele Menschen die Selbstinszenierungen von Karl-Theodor zu Guttenberg: Seine "Was-kostet-die-Welt-ich-hab-es-geschafft"-Attitüde als weltreisender Wirtschaftsminister auf dem Times Square in New York war dann doch nur ein Vorgeschmack auf die martialischen Bildikonen im Stil eines "Top-Gun"-Piloten als zum Kampf entschlossener Verteidigungsminister. Teilweise war das so dick aufgetragen, dass aus den Kasernen die Kunde kam, Soldaten begännen damit, ihre Spindluderfotos gegen Ministerbilder auszutauschen.

Der stolpernde Minister

Zwar hatte auch schon einer seiner Vorvorgänger den männlich-zupackenden Auftritt geliebt. Doch von Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bleibt optisch weniger die unangekündigte und deshalb hochsensible Landung per Militärhubschrauber vor dem Kabinett im Kanzleramt in Erinnerung, sondern mehr ein kleiner Fehltritt bei einem Besuch der Bundeswehrsoldaten in Somalia. Die Szene mit dem vor laufenden Kameras stolpernden Minister diente fortan zur Illustrierung der wenig überzeugenden Mission.

Doch, es gab sie: Zwölf denkwürdige Momente im Wahlkampf
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Foto: SZ-Magazin/ Alfred Steffen

Forsche Wahlkampfideen kleben immer wieder wie Kletten an Politikern, wenn sie später wieder ins Seriöse wechseln wollen. So ging es dem FDP-Spitzenpolitiker Guido Westerwelle nach seinen Auftritten mit dem Spaßmobil oder mit der grell leuchtenden "18" als grandios verfehltem Wahlziel unter dem Schuh. Und so ging es auch der ostdeutschen CDU-Politikerin Vera Lengsfeld, als sie für ein Wahlplakat das vielbeachtete Dekolleté der Bundeskanzlerin bei einem Opernbesuch kombinierte mit einem offenherzigen Bild von sich selbst und damit den Spruch verband "wir haben mehr zu bieten". Auf ein geteiltes Echo stieß im jüngsten Hamburger Bürgerschaftswahlkampf das Fotoshooting von FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding mit ihrer Bremer Kollegin Lencke Steiner und Generalsekretärin Nicola Beer im Stil der "Drei Engel für Charlie" als "Drei Engel für Lindner".

"Etwas zu spontan"

Schwer zu schaffen machten Inszenierungen zwei kapitalen Schwergewichten der Sozialdemokratie. Als Kanzlerkandidat wurde Peer Steinbrück gebeten, in einer Geste auszudrücken, was er von "netten Spitznamen" wie "Pannen-Peer" oder "Problem-Peer" halte. Er entschied sich dafür, dem Publikum den Stinkefinger zu zeigen — und löste damit eine lebhafte Debatte aus. Die bildliche Beleidigung per Mittelfinger war auch nach Meinung der Steinbrück'schen PR-Berater "etwas zu spontan" ausgefallen. Bundeskanzler Gerhard Schröder gefielen die Bilder im teuren Brioni-Anzug und mit edler Cohiba-Zigarre auch nur so lange, wie er damit unterstreichen konnte, dass es einer aus der Schicht der kleinen Leute nach ganz oben geschafft hatte. Als es um soziale Zumutungen durch seine "Agenda 2010" ging, holten den "Genossen der Bosse" die Bilder auf unliebsame Weise wieder ein.

Eine, die daraus viel gelernt hat, ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie achtet darauf, dass es von ihr keine Bilder gibt, die sie etwa bei der Nahbeobachtung von Militärdrohnen zeigen. Allerdings klingt ihr Dementi, Nachfolgerin von Kanzlerin Angela Merkel werden zu wollen, optisch weniger überzeugend, seit sie sich angewöhnt hat, bei öffentlichen Auftritten die Finger zur Raute zur formen, zur berühmten "Merkel-Raute".

(may-)
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