Reaktionen Pressestimmen zum Terror-Alarm in München
So kommentieren Medien den Terror-Alarm in München in der Silvesternacht 2015.
"Rheinische Post": "Mit der Anschlagswarnung von München in der Silvesternacht ist der IS-Terror Teil des Alltags geworden - auch wenn es zum Glück keine Attentate mit Toten zu beklagen gibt. Bislang ist es den Sicherheitsbehörden sogar gelungen, relativ gelassen mit der Gefahr umzugehen, ohne sie zu unterschätzen. Die Absage des Fußball-Länderspiels im November und nun der Großeinsatz in München sind angesichts der anhaltend hohen Gefährdungslage keine großen Einschränkungen."
"Stuttgarter Nachrichten": "Es ist jedes Mal eine Gratwanderung für die Behörden: Wann ist ein Hinweis auf einen Terroranschlag so gravierend, dass die Bevölkerung informiert werden muss? Am Silvesterabend ist diese Gratwanderung zwischen Sicherheit und Freiheit vorbildlich gelungen. In einer Nacht, in der die Menschen zusammenkommen, um die Sorgen des alten Jahres zu vergessen und ausgelassen den Start in das neue Jahr zu feiern. Schnell hätte diese Stimmung in Panik umschlagen können. Dies hat die Münchener Polizei verhindert. Indem sie gehandelt hat: Besonnen und unkompliziert."
"Süddeutsche Zeitung": ""Das Leben geht einfach weiter", sagt man oft nach Attentaten und Schicksalsschlägen. Nach den Verbrechen von Paris hieß es, das Leben müsse einfach weitergehen, weil man den Terroristen nicht das Terrain überlassen dürfte. Ganz so ist es nicht. Das Leben geht nicht "einfach" weiter; es geht schwieriger weiter, es ist belastet, beschwert und manchmal bedrückt."
"Münchner Merkur": "Der kalte Hauch des Terrors hat in München in der Silvesternacht zehntausende Partygänger und ihre Angehörigen gestreift. Münchens Bahnhöfe sind weltbekannt als "Häfen" für Flüchtlinge und müssen als potenzielle Terrorziele gelten. Wurde durch die Räumungen ein Blutbad verhindert? Oder war es falscher Alarm? Die Polizei hat jedenfalls ebenso schnell wie angemessen reagiert - und erstklassige Kommunikationsarbeit geleistet. Dennoch machte die Nacht zum 1. Januar 2016 nicht nur erneut klar, dass Sicherheit, wenn überhaupt, nur punktuell garantiert werden kann, sondern auch, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, welches Risiko er einzugehen bereit ist. Diese Unsicherheit ist symptomatisch für jene vage "Bedrohungslage", eine Umschreibung der beängstigenden Tatsache, dass irgendwo islamistische Fanatiker darüber nachsinnen, wie sie unsere Gesellschaft ins Mark treffen können. Wie man damit umgehen kann, haben die Menschen in München beispielhaft gezeigt."
"Berliner Zeitung": "Je wichtiger die Fragen werden, desto nationaler werden die Antworten ausfallen. Je gewaltiger die Risiken werden, desto wichtiger wären globale oder wenigstens europäische Antworten. Wir sehen aber eine ganz andere Tendenz. In immer mehr Ländern der EU, auch in Kernländern des Einigungsprozesses - man nehme nur die niederländische Entwicklung -, sehen immer mehr Menschen ihre einzige Chance im Abducken in die nationale Ecke. Sie glauben, der globalen Risikogesellschaft entkommen zu können in eine schön gefärbte Vergangenheit. Sie sehen im Risiko keine Herausforderung, ihr Stolz wird nicht berührt davon."
"Der Tagesspiegel": "Die Strategie des IS ist klar: Durch möglichst spektakuläre Anschläge soll das Misstrauen gegenüber Muslimen in Europa geschürt werden. Das wiederum soll Muslime in Europa radikalisieren. Je tiefer der Keil getrieben wird, desto mehr Nachwuchs lässt sich rekrutieren. Hinzu kommt: Die Flüchtlingskrise und die Furcht vor Tausenden unregistrierten Zufluchtsuchenden erhöht offenbar die Bereitschaft, in Flüchtlingen auch potenzielle Terroristen zu sehen."
"Kölner Stadt-Anzeiger": "Terrorwarnungen wie die aus München mögen einer der Gründe sein, warum gut die Hälfte der Deutschen eher gedämpft in das neue Jahr blickt. Sicher! Die Wirtschaftsdaten zeigen nach oben. Doch der Tanz um das goldene Kalb ist nicht alles. Die Welt ist unruhig geworden und das setzt sich spürbar in unser aller Alltag fort. Jede Warnung weckt die Frage, was denn hätte geschehen können. Morde wie in Paris - diesmal aber in München, Hannover oder Köln? Dass Extremisten durchaus imstande sind, auch hier Anschläge zu verüben, ist kein Geheimwissen. Doch entweder wollten sie es bisher nicht, weil der Hass auf andere noch größer war. Oder man kam ihnen auf die Schliche. Gewiss ist, dass sich in 2016 Ton und Klima verändern werden. Sei es auch nur, weil der Wahlkampf zurückkehrt."
"Braunschweiger Zeitung": "Wo Argwohn angebracht ist und wo nicht, das ist in Zeiten des Terrors nicht leicht zu unterscheiden. Viele trauen auch den Flüchtlingen nicht, die doch in aller Regel nur Schutz suchen. In besonders unglücklichen Fällen vermischt sich der Argwohn mit einer ohnehin rechtsextremen Gesinnung - in der vergangenen Nacht wurde wieder ein Flüchtlingsheim angegriffen, dieses Mal mit Feuerwerkskörpern. Wir müssen lernen, genau hinzuschauen, wo Misstrauen gerechtfertigt ist. Terroranschläge und -warnungen dürfen nicht zum bequemen Vorwand werden, um das Zusammenleben mit Muslimen und die Integration von Flüchtlingen abzulehnen."
"Nürnberger Nachrichten": "Jenseits der militärischen Bekämpfung lautet die wirksamste Strategie der westlichen Gesellschaften gegen den Islamismus: Weiterhin in Freiheit leben, einer Freiheit, die auch in Zeiten angespannter Sicherheitslage demonstrativ gelebt werden sollte. Die Münchner Silvesternacht hat eindrucksvoll bewiesen, dass dies möglich ist. Insofern ist der Start ins neue Jahr zwar unter denkbar schlechten Vorzeichen erfolgt, aber eben auch mit einem klaren Signal: Das öffentliche Leben in Deutschland geht auch 2016 weiter."
"Mitteldeutsche Zeitung": "Sicher, die Präsenz in den Netzwerken ist immer auch Marketing und Selbstdarstellung der Behörden. Aber im Angesicht einer möglichen Bedrohung durch IS-Attentäter ist sie mehr: Sie überträgt den sozialen Netzwerken tatsächlich eine Funktion der sozialen Verständigung. Und, noch viel wichtiger: Hier wird versucht, die Pläne potenzieller Attentäter mit möglichst intensiver Kommunikation zu durchkreuzen. Hier werden die Möglichkeiten einer offenen Gesellschaft gegen diejenigen genutzt, die glauben, die offene Gesellschaft wegbomben zu können. Das ist ein Zeichen - und Marketing für unsere Gesellschaftsform."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Die Warnungen vor Attentaten nehmen zu: Jetzt in der Silvesternacht in München, vor wenigen Wochen in Hannover beim abgesagten Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft. Zum Glück kam es nirgends zu einem Blutbad. Aber daraus abzuleiten, die Sicherheitsbehörden würden übertreiben, wäre fatal. Lieber im Vorfeld auf Gefahrenabwehr setzen statt im Nachhinein einräumen zu müssen, auf Hinweise unzureichend reagiert zu haben. Polizei und Geheimdienste stehen vor der Herausforderung, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr mögliche Attentatspläne aufzudecken. Dagegen reicht es einer Terrorzelle aus, wenn sie eine Sicherheitslücke entdeckt, um zuschlagen zu können. Die Behörden versuchen ihr Bestmögliches, doch bislang hat Deutschland auch Glück gehabt."
"Westfälische Nachrichten": "Es ist noch einmal gut gegangen. Nach den Terrorwarnungen für München haben die Sicherheitsbehörden entschieden durchgegriffen. Recht so. Denn die Sicherheit hat absolut Vorrang. Was bleibt, ist diese Gratwanderung zwischen dem Wunsch nach Freiheit und dem Bedürfnis nach Sicherheit. In München ist sie gelungen, auch, weil der Polizeieinsatz besonnen verlief. Aber: Nicht immer helfen Kommissar Zufall oder der Warnhinweis aus Washington oder Paris. Der Terror bleibt eine reale Gefahr für Deutschland - auch 2016."
"Nordkurier": "Die Bajuwaren - was kann man nicht über sie schmunzeln. Dieser weiß-blaue Fleck im Süden Deutschlands, der zu gerne ein Staat im Staate, etwas Besseres, vor allem etwas Anderes wäre. In gewisser Weise war er das auch in diesen Tagen der islamistischen Bedrohung. Die Münchner machten Deutschland und der Welt deutlich, dass sich keiner den Alltag und das Leben von hirnlosen Terroristen diktieren lassen sollte. Dass sich ausgelassene Stimmung und Polizeikolonnen wenige Straßen weiter nicht ausschließen müssen. Dieses Silvester war ein Abend des Trotzes. Alle Feiernden zeigten den todbringenden Fanatikern die lange Nase. Nicht zuletzt die bayerische Polizei trug dazu bei. Nicht durch Abschottung, Aktionen im Dunkeln oder gar krude und eigentlich unverantwortliche Aussagen wie von Bundesinnenminister Thomas de Maizière zuletzt in Hannover ("Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"). Sondern durch eine Politik der Offenheit und durch direkte Ansprache."
"Rheinpfalz": "Übervorsichtige Sicherheitsbehörden, alarmistische Politiker gar? Wenn es Hinweise auf konkrete Attentatspläne gibt, können verantwortungsvolle Sicherheitskräfte und Politiker gar nicht anders, als bestmöglichen Schutz zu organisieren. Dafür ist der Apparat da, dafür sind die Politiker gewählt worden. Sie müssen handeln, auch um den Preis des Irrtums oder des Fehlalarms - und müssen möglicherweise Feierbiestern die Silvesterparty vermiesen oder Freunde des rollenden Leders um ein Fußballfest bringen. Alles andere wäre fahrlässig. München wird nicht der letzte Terroralarm gewesen sein. Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Und wir sollten uns zugleich unsere Art zu leben dadurch nicht vergällen lassen. Eine klarere Botschaft an die bombenden Irrlichter gibt es kaum."
"Schwarzwälder Bote": "Das neue Jahr beginnt, wie das alte aufgehört hat. Mit unbestimmter Terrorangst. In München glauben die Sicherheitskräfte Selbstmordanschläge nach Pariser Muster vereitelt zu haben. .... Wir haben uns in Europa für unbestimmte Zeit auf islamistische Gewaltakte einzurichten. Der Terror bricht in unseren Alltag ein. Eine wirksame Versicherung gegen Anschlagsgefahren gibt es letztlich nicht. Bestmöglichen Schutz bieten professionelle Polizeiarbeit und Wachsamkeit - so wie jetzt in München. Wir dürfen nicht in Panik verfallen. Auf die Bedrohung einstellen müssen wir uns. Damit abfinden aber dürfen wir uns nie. Terrorismus ist nämlich Gift für offene Gesellschaften."
"Flsneburger Tageblatt": "Das Fazit dieser Nacht lautet: Die Polizei ist für derartige Extremsituationen gerüstet - eine beruhigende Erkenntnis. Zugleich ließen sich die Münchner nicht beirren, feierten einfach weiter und sorgten dafür, dass Chaos erst gar nicht entstehen konnte - eine demonstrative Geste der Stärke. Terroranschläge von Selbstmordattentätern lassen sich im Zweifelsfall nicht verhindern. Aber: Deutschland ist gewappnet gegen den Wahnsinn mordlüsterner islamistischer Extremisten. Das höchsten Werte dieses Landes und aller Deutschen - die Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben - haben in der Silvesternacht gesiegt über Angst und Terror."
"Allgemeine Zeitung": "Wachsam sein, trotzdem gelassen bleiben, ja, einen gewissen Gleichmut aufbringen gegenüber Unannehmlichkeiten, die im Zeichen der Sicherheit unvermeidlich sind - das ist genau die richtige Reaktion auf das Vorhaben der Terroristen, die westlichen Gesellschaften zu verunsichern. Offenbar haben sie sich verschätzt."
"Rhein-Neckar-Zeitung": "Alles in allem jedoch reagieren die Behörden in Deutschland besonnen. Es wäre - ganz wie beim Fußball-Länderspiel in Hannover - leichtfertig gewesen, nichts zu unternehmen. Andererseits wurde von vorneherein betont, dass die Hinweise eben nur Hinweise und keine Beweise sind. Die Terrorgefahr wird uns auch 2016 begleiten. Gut, dass sie bisher stets eine abstrakte Bedrohung geblieben ist"
"Märkische Oderzeitung": "Den Sicherheitsbehörden in Bayern muss man bescheinigen, umsichtig und effektiv gehandelt zu haben. Aber noch beeindruckender ist es, dass die Menschen sich ihr Leben nicht von Terroristen bestimmen lassen wollen. Intensivere Sicherheitskontrollen werden klaglos akzeptiert, aber die Silvesterfeier am Brandenburger Tor beispielsweise lassen sie sich nicht vom IS kaputtmachen. So sieht eine wirkungsvolle Antwort an die Islamisten aus."