Hamburger Bundeswehrklinik weiter unter Polizeischutz Terroralaram: Nockemann attackiert Schily

Hamburg (rpo). Nach der spektakulären Terrorwarnung in Hamburg gerät die politische Auseinandersetzung über die Angemessenheit der Maßnahme zum Wahlkampfspektakel. Hamburgs Innensenator Dirk Nockemann von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive sprach Innenminister Otto Schily (SPD) nun indirekt die Eignung zum Innenminister ab.

Die Vorwürfe des Ministers seien "nicht nur überzogen, sondern ungeheuerlich", sagte der Politiker der Partei Rechtsstaatliche Offensive dem "Hamburger Abendblatt" (Freitagausgabe). "Wenn Schily diese Maßnahmen ernsthaft kritisiert, dann frage ich mich, ob er der richtige Verantwortliche für die Sicherheit in Deutschland ist."

"Kritik indiskutabel"

Die Kritik von weiteren SPD- und Grünen-Politikern nannte Nockemann indiskutabel: "Damit werde ich mich nicht auseinander setzen." Der Vorschlag, das Bundeswehrkrankenhaus im Stadtteil Wandsbek mit massiver Polizeipräsenz zu schützen, sei an ihn aus der Hamburger Polizeiführung heran getragen worden: "Ich stehe zu dieser Entscheidung." Details habe er nennen müssen, "auch um zu zeigen, wie konkret die Hinweis waren, die wir hatten, um den Vorwurf zu entkräften, unsere Reaktion wäre blinder Aktionismus."

Nockemann forderte im Gegenzug Gesetzesverschärfungen in Hamburg, damit die Polizei präventiv Telefone abhören und verdachtsunabhängige Kontrollen etwa im Umfeld von Moscheen vornehmen dürfe.

Die Terrorwarnung war am Dienstag um 14.30 Uhr bei den Behörden eingegangen. Über das Bundeskriminalamt war der Tipp gekommen, die Islamisten-Gruppe Ansar el Islam habe ein Selbstmordattentat mit einem Auto geplant. Zwei Attentäter seien schon seit Anfang Dezember in Hamburg, geplante Tatzeit sei Anfang Januar, berichtete der Innensenator. Nach Zeitungsinformationen handelt es sich um Männer mit türkischen oder syrischen Pässen. Nockemann wollte das weder bestätigen noch dementieren.

Grüne kritisieren Vorgehen Nockemanns

Während die Anwohner an den Sperren am Abend frierend warten mussten, gab es für Nockemann plötzlich Gegenwind aus Berlin: Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) warf dem Politiker der Partei Rechtsstaatlicher Offensive vor, dass die Hinweise vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangt seien. Dadurch würde die Aufklärung erschwert, sagte Schily. Nockemann erklärte dagegen, die Absperrung beruhe auf Informationen, die vom Bundeskriminalamt übermittelt worden seien. Diese Behörde unterstehe aber wiederum Schily. Art und Umfang der Absperrungen seien völlig gerechtfertigt.

Die Grünen haben das Vorgehen des Hamburger Innensenators Dirk Nockemann (Partei Rechtsstaatliche Offensive) im Zusammenhang mit angeblichen Anschlagsplänen auf das Bundeswehrkrankenhaus der Hansestadt kritisiert. Es stelle sich die Frage, ob die Schutzmaßnahmen aufgrund der Hinweise nicht diskreter hätten getroffen werden können, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, am Donnerstag in Berlin. Die Grünen forderten den Hamburger Senat auf, die Frage zu klären, ob Nockemann durch sein Vorgehen den Aufklärungsmaßnahmen gegen islamistische Terrornetzwerke geschadet habe.

"Ernster und konkreter als alle früheren Hinweise"

Der Terrorismusexperte Rolf Tophoven wies die Kritik Schilys ebenfalls zurück. Es könne nicht angehen, dass die Sicherheitsbehörden bei der Abwehr möglicher Anschläge nicht mit einer Zunge sprächen. Die Hinweise auf eine Selbstmordattacke seien offensichtlich sehr ernst und konkret gewesen - "ernster und konkreter als alle früheren Hinweise".

Für den 45 Jahre alten Juristen Nockemann ist der Terroralarm die erste Bewährungsprobe, seit er am 3. September Hamburger Innensenator wurde. Er beerbte Ronald Schill, der von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nach einem Erpressungsversuch aus dem Amt geworfen worden war. Nockemann, der in der Innenbehörde zunächst Büroleiter Schills war, gehörte in der Partei Rechtsstaatlicher Offensive zu den engsten Wegbegleitern des Parteigründers. Je unberechenbarer Schill aber wurde, desto stärker entfernte sich Nockemann von ihm.

War Warnung nur ein Versehen?

Der 45-Jährige gilt als stockkonservativ. Gegen Flüchtlinge, deren Aufenthaltsberechtigung abgelaufen ist, fährt er einen harten Abschiebe-Kurs. Es ist unwahrscheinlich, dass er nach der vorgezogenen Bürgerschaftswahl am 29. Februar im Amt bleibt. Einige Hamburger Journalisten äußerten den Verdacht, die große Absperraktion habe mit dem kommenden Wahlkampf zu tun. Allerdings wurden keine Belege dafür bekannt. Nockemann wies den Verdacht empört zurück.

Möglicherweise war die Warnung aber auch nur ein Versehen der US-Behörden: Im Hamburger Bundeswehrkrankenhaus wurden noch nie US-Soldaten behandelt, erklärte das US-Militär. Dagegen gibt es in der Stadt Homburg/Saar eine Klinik, in der gelegentlich US-Soldaten liegen. Homburg/Saar ist nicht weit vom großen US-Militärkrankenhaus in Landstuhl entfernt, wo verletzte US-Soldaten aus dem Irak behandelt werden.

Entspannte Lage um das Krankenhaus

An den Polizeisperren weit vor der Klinik reichte den Beamten schon am Mittwoch ein Blick in den Personalausweis, Autos wurden durchgewunken. Manche Fußgänger hoben sogar eigenmächtig das rot-weiße Flatterband an und passierten die Sperren. Nur direkt an der Einfahrt zum Krankenhaus wurde weiter streng durchsucht.

"Wir halten die Sicherungsmaßnahmen aufrecht für die nächsten zwei bis drei Tage. Natürlich sind damit Belästigungen für die Patienten und die Anwohner verbunden, aber hier geht es um die Sicherheit", sagte am Mittwoch Innensenator Dirk Nockemann dazu.

Am Abend zuvor hatte es noch ganz anders ausgesehen: "Hier kommt keiner rein und keiner raus", sagte ein schwerbewaffneter Polizist. Wer in eine der Straßen rund um das Krankenhaus in Hamburg-Wandsbek wollte, wurde freundlich, aber bestimmt zurückgewiesen. "Das ist ja hier wie militärisches Sperrgebiet, wo leben wir eigentlich", ereiferte sich ein Anwohner, doch es half nichts.

Hunderte Polizeibeamte hatten das Krankenhaus mitten im dicht besiedelten Stadtteil abgeriegelt. Wer wissen wollte warum, erhielt nur ein Wort als Antwort: "Bombendrohung".

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