Hilfssheriffs, Gefälligkeitsatteste , falsche Zahlen Thomas de Maizière - der angekratzte Innenminister

Berlin · Thomas de Maizière handelt sich aktuell heftige Kritik von allen Seiten ein. Hilfspolizisten gegen Einbrecher, Gefälligkeitsatteste für Flüchtlinge, Zahlen ohne Grundlage: Der Innenminister ist schwer unter Druck.

 Thomas de Maiziere im Gespräch mit unseren Journalisten.

Thomas de Maiziere im Gespräch mit unseren Journalisten.

Foto: Marco Urban

Thomas de Maizière ist eigentlich ein akkurater Mensch. Gewissenhaft, sorgfältig, arbeitsam, ein "guter Beamter" eben. Einer, der aufmerksam Akten studiert, der mit Bedacht formuliert und besonnen auftritt. Keiner, der mit schrillen Tönen und derben Parolen Politik macht. Eigentlich. Ausgerechnet er ist mit dem Vorwurf konfrontiert, mit frei erfundenen Zahlen Unterstellungen in die Welt zu setzen. Und das nicht zum ersten Mal. Überhaupt mehren sich die Vorstöße des Bundesinnenministers, mit denen er die Opposition, aber auch den Koalitionspartner gegen sich aufbringt. Seine Kritiker nutzen den aktuellen Fehler für eine Grundsatzattacke.

Die vergangene Woche lief nicht gut für den CDU-Mann. In einem Interview mit unserer Redaktion schlug de Maizière erst vor, vermehrt Hilfspolizisten einzusetzen, um Wohnungseinbrüche zu verhindern. Das stieß auf wenig Begeisterung. Hilfssheriffs seien etwas aus dem Wilden Westen, de Maizière habe wohl zu viele Western gesehen und wolle nun billige Wachleute einsetzen, statt Geld in die Polizei zu stecken, spotteten Linke, Grüne, aber auch SPD-Leute. Selbst aus der Union kam Kritik.

Im selben Interview warf de Maizière dann Ärzten vor, Asylbewerber zu oft ungerechtfertigt Atteste auszustellen und sie damit vor der Abschiebung zu bewahren. Verbunden mit dem Satz: "Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden." Später stellte sich heraus, dass die Zahl ziemlich freimütig gegriffen war und dass es gar keine bundesweiten Werte zu solchen Fällen gibt.

Linke, Grüne und auch SPD fielen über de Maizière her: Mit Fantasiezahlen Ressentiments zu schüren und Ärzte zu diskreditieren, sei peinlich, unverschämt und niveaulos - und eine Entschuldigung überfällig. Der Minister habe die Öffentlichkeit belogen, wetterte Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Und SPD-Vize Ralf Stegner sah sich gleich zu einem Pauschalurteil gegenüber dem Ressortchef aus den Reihen des Koalitionspartners bemüßigt: "Die Leistungsbilanz des Bundesinnenministers von der CDU ist verheerend."

Es ist nicht das erste Mal, dass de Maizière mit schwer belegbaren Beschuldigungen irritiert. Im Herbst schimpfte er über das Verhalten einiger Flüchtlinge: Dass sie sich über ihre Unterkunft und das Essen beklagen, sich prügeln oder einfach mit dem Taxi in einer andere Aufnahmestelle fahren. Schon da setzte er sich dem Vorwurf aus, ohne fundierte Grundlage Unterstellungen zu verbreiten. Ein anderes Mal erklärte er, 30 Prozent der Asylsuchenden gäben sich mit gefälschten Pässen als Syrer aus. Auch das ließ sich nicht belegen.

Überhaupt eckte de Maizière zuletzt einige Male an, überrumpelte etwa den Koalitionspartner SPD mit seinem Vorhaben, syrischen Flüchtlingen nur noch einen eingeschränkten Schutzstatus zu geben. Oder er brachte die CSU-Regierung in Bayern zum Schäumen, als er öffentlich ein mögliches Ende der Grenzkontrollen zu Österreich ins Spiel brachte. Auch einige SPD-Länderinnenminister liegen wegen Differenzen in der Asylpolitik seit einiger Zeit quer mit ihm. Oppositionspolitiker laufen ohnehin Sturm gegen die Asylverschärfungen, die im Akkord aus de Maizières Ministerium kommen. Viele Unwohlgesonnene werteten es auch lautstark als Entmachtung des Ministers, dass das Kanzleramt im vergangenen Herbst die Koordination der Flüchtlingskrise an sich zog.

Und dann war da noch der denkwürdige Satz: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern." Eine Äußerung aus dem November rund um die Terrorwarnung bei einem Fußball-Spiel in Hannover, mit der sich der Ressortchef bleibenden Spott einhandelte.

De Maizière hatte in den vergangenen Monaten einen der härtesten Jobs im Kabinett - rotierend zwischen Flüchtlingschaos und Terrorgefahr. Zwischendurch war er auch gesundheitlich angeschlagen. Die Kritik von verschiedenen Seiten kam da noch oben drauf. Er ist aber keiner, der auf Angriffe mit Gegenattacken reagiert. Öffentliche Beleidigungen des politischen Gegners sind nicht seine Sache. Auch wenn andere hinter den Kulissen gegen ihn arbeiten, lässt er sich nicht zu Taktierereien hinreißen. Oft verteidigt er nüchtern seinen Kurs. Auch an seinem Vorstoß zum Einsatz von Hilfspolizisten hält er fest.

Bei dem Vorwurf, oft seien Krankheiten bei Abschiebungen nur vorgeschoben, bleibt er ebenfalls. Nur wegen der Zahlen rudert er etwas zurück. Hier räumt de Maizière umständlich einen Fehler ein. "Dass ich durch meine Antwort in einem Interview den Eindruck erweckt habe, dass die Zahl von 70 Prozent eine allgemeingültige, statistisch belegbare Größe ist und eben nicht nur ein Erfahrungswert, war nicht meine Absicht", sagt er der dpa. Das ist die abgespeckte Form von: Ja, das war nicht in Ordnung. In Beamtendeutsch, versteht sich. Da bleibt sich de Maizière treu. SPD, Linke und Grüne finden das zu wenig. Die Lage bleibt unbequem für den Innenminister.

(felt/dpa)
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