Innenminister De Maizière will ärztliche Schweigepflicht aufweichen

Berlin · Ist Deutschland in Zeiten des Terrors noch ein sicheres Land? Und wie lässt sich die innere Sicherheit erhöhen? Diese Fragen werden zunehmend zum Wahlkampfthema. Die Innenminister der Union wollen offenbar einen ganzen Forderungskatalog vorlegen. Die Kritik kommt prompt.

 Innenminister Thomas de Maizière will die Sicherheitsgesetze massiv verschärfen

Innenminister Thomas de Maizière will die Sicherheitsgesetze massiv verschärfen

Foto: dpa, mkx sab

Als Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Deutschland will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach einem Medienbericht die ärztliche Schweigepflicht aufweichen. Dies sei ein Punkt seines Maßnahmenkatalogs zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland, der am Donnerstag vorgestellt werden soll, schreibt die "Bild"-Zeitung. Danach soll eine Gesetzesänderung Ärzten künftig ermöglichen, die Behörden über geplante Straftaten ihrer Patienten rechtzeitig zu informieren.

De Maizière will dem Bericht zufolge zudem erreichen, dass ausländische Gefährder und straffällige ausreisepflichtige Ausländer schneller abgeschoben werden können. Dafür solle es künftig Schnellverfahren bei der Entscheidung über Abschiebungen und über Asylanträge geben. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" zufolge will de Maizière ein Paket vorlegen, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll und der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf. Das Blatt beruft sich auf führende Koalitionskreise.

Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit wollen die Innenminister von CDU und CSU nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland bei einem Treffen am 18. August verlangen. Im Entwurf einer "Berliner Erklärung" finden sich demnach Forderungen nach mehr Polizeipräsenz, mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum und schnelleren Abschiebungen. Gefordert würden auch der Aufbau eines Cyberabwehrzentrums beim Bundeskriminalamt und die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung durch die Geheimdienste. Diese sollten zudem die Möglichkeit erhalten, bereits gegen 14-jährige Verdächtige zu ermitteln.

Bis 2020 sollten 15.000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern eingestellt werden, heißt es in dem Medienbericht weiter. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll demnach abgeschafft werden, weil sie ein großes Integrationshindernis sei. Eine Vollverschleierung solle ebenso verboten werden wie die Finanzierung von Moscheen durch extremistische Organisationen. Nicht-deutsche Hassprediger sollten umgehend ausgewiesen werden. Deutschen, die für eine terroristische Vereinigung kämpfen und mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, solle man die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen dürfen.

Die Polizeigewerkschaft begrüßte die geplanten Anti-Terror-Maßnamenpakete. "Diese Pläne gehen alle grundsätzlich in die richtige Richtung", sagte der Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, unserer Redaktion. Es sei aber nur ein "guter erster Schritt", wenn 15.000 zusätzliche Polizistenstellen geschaffen würden. "Wir brauchen darüber hinaus aber noch mehr Polizei. Denn in den letzten Jahren wurden 17.000 Polizistenstellen abgebaut, während die Aufgaben mehr wurden", sagte Wendt. Zudem würden 2000 zusätzliche Staatsanwälte und Richter benötigt, damit Straftaten schneller geahndet werden könnten.

Zur Debatte um die ärztliche Schweigepflicht bei potenziellen Straftätern sagte Wendt: "Die Ärzteschaft verfügt über Informationen, die den Sicherheitsbehörden helfen können, Gewalttäter zu erkennen", sagte Wendt. Es sei deshalb richtig, mit der Ärzteschaft über eine Aufweichung der Schweigepflicht zu sprechen. "Die Ärzteschaft könnte eine Einrichtung schaffen, an die sich besorgte Ärzte wenden können, wenn sie einen Verdacht haben", sagte Wendt. Dieses Gremium könnte dann die Informationen an die Polizei weiterleiten. Der Vorteil wäre, dass die Ärzte persönlich nicht dem Vorwurf ausgesetzt wären, ihre Schweigepflicht gegenüber den Behörden gebrochen zu haben.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Burka-Verbot hingegen scharf kritisiert und zurückgewiesen. "Das ist ein Scheinsicherheitskonzept", sagte sie unserer Redaktion. "Kleidungsvorschriften und der Zwang, sich für nur einen Pass zu entscheiden, haben sehr wenig mit Sicherheit und viel mehr mit Kulturkampf zu tun", sagte Göring-Eckardt. "Doch die CDU liegt falsch, wenn sie glaubt, dass ein Zurück in die Lebenswelt des letzten Jahrhunderts unser Land friedlicher machen und Ängste in der Bevölkerung mindern würde", sagte die Grünen-Politikerin. Richtig sei, dass mehr Personal bei der Polizei gebraucht werde.

Grünen-Chefin Simone Peter wies die Maßnahmen zurück und bezeichnete maßgebliche Teile davon als verantwortungslos und schäbig. "Die Unionsinnenminister offenbaren mit ihren Vorschlägen zur inneren Sicherheit ihre antiquierte Geisteshaltung", sagte Peter unserer Redaktion. "Im Hauruck-Verfahren die Sicherheitsgesetze zu verschärfen, die doppelte Staatsbürgerschaft zu beenden oder die Schweigepflicht für Ärzte zu begrenzen führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern stellt Migranten und Asylsuchende unter Generalverdacht", sagte Peter. "Das ist in einer Zeit wachsender Gewalt gegen Flüchtlinge und Minderheiten verantwortungslos und schäbig", so die Grünen-Politikerin.

(lai/crwo/dpa)
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