Interview mit Thorsten Schäfer-Gümbel "Brauchen Kanzlerkandidaten vor NRW-Wahl"

Berlin · Der SPD-Vize und hessische Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel spricht im Interview über die Krise der Genossen und über eine neue Reichensteuer.

 Thorsten Schäfer-Gümbel spricht im Interview über die Krise der SPD.

Thorsten Schäfer-Gümbel spricht im Interview über die Krise der SPD.

Foto: dpa, ade htf

Herr Schäfer-Gümbel, Sie sind Teil der SPD-Spitze. Übernehmen Sie Verantwortung für die schlechten Umfragewerte Ihrer Partei?

Schäfer-Gümbel Wir sind ein Team! Jeder in der Parteiführung trägt Verantwortung, die Sozialdemokratie nach vorne zu bringen. Ich bin sicher, dass wir Erneuerung und sozialen Zusammenhalt ins Zentrum unseres Programms stellen sollten. Angesichts der Umfragewerte müssen wir offensiver und klarer werden.

Welche Fehler hat der Vorsitzende Sigmar Gabriel zuletzt gemacht?

Schäfer-Gümbel Sigmar Gabriel hat angesichts der extremen Herausforderungen im vergangenen Jahr einen guten Job gemacht hat. Dass Deutschland Akzente für die Integration von Flüchtlingen gesetzt und nicht nur Abschreckungssignale gesendet hat, ist der SPD und Sigmar Gabriel zu verdanken. Auch die vielen sozialdemokratischen Anliegen vom Mindestlohn bis zum Wohnungsbau, die wir in der Koalition durchgesetzt haben. Kaum ein anderer ist so durchsetzungsstark gegenüber der Union wie er.

Ist er der beste Parteichef für die kommenden Jahre?

Schäfer-Gümbel Sigmar Gabriel ist Parteichef und bleibt es auch.

Die Parteispitze traf sich zu einer Krisensitzung. Wie geht es jetzt weiter?

Schäfer-Gümbel Wir nehmen Fahrt auf für die Aufstellung unseres Regierungsprogrammes zur Bundestagswahl. Dazu haben wir viele Anregungen auch von den SPD-Ministerpräsidenten bekommen. Es ging jedenfalls nicht um Personalfragen, falls Sie das denken. Anfang Juni werden wir auf dem Konvent einen Aufschlag zu sozialer Gerechtigkeit und was sie heute konkret bedeutet machen.

Die SPD schafft es nicht, in der Mitte zu gewinnen, ein Linksschwenk ist riskant. Was ist also Kurs der Partei?

Schäfer-Gümbel Ich kann mit diesen Schubladen nichts anfangen. "Kleine Leute" hier, "Konzerne" da, das reicht uns nicht. Wir machen Politik für Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, sich an die Regeln halten und in der Regel keine Reichtümer anhäufen. Für Geringverdiener und die Mittelschicht gleichermaßen, für Rentner, Familien, Selbstständige und Angestellte wie für Beamte oder Studenten. Die Themen sind oft dieselben: gute Bildungschancen für alle, ausreichend Kita-Betreuung, Lohn- und Steuergerechtigkeit. Erneuerung und sozialer Zusammenhalt muss unser Leitmotiv sein.

Sie haben angesichts des Auseinanderdriftens von Arm und Reich eine Debatte zur Vermögenssteuer gefordert. Sie haben aber nicht gesagt, ob sie nun dafür oder dagegen sind.

Schäfer-Gümbel Ich habe nie dem Fanclub der Vermögenssteuer angehört. Aber ich halte ein kategorisches Nein aus dem Bauch heraus für falsch. In der hessischen SPD-Fraktion möchte ich von Experten klären lassen, ob und wie so eine Steuer funktionieren kann. Ist das der Fall, können wir in der SPD besser beurteilen, ob sie auch Sinn macht — oder ob es geeignetere Stellschrauben für mehr Verteilungsgerechtigkeit gibt.

Sigmar Gabriel lehnt eine Wiedereinführung bisher ab.

Schäfer-Gümbel Auch er will nichts einfach beschließen, weil wir es schon immer so beschlossen haben. Wenn es einen klugen Vorschlag gibt, hat sich Sigmar Gabriel noch nie verschlossen. Über unser Programm entscheidet dann ein Parteitag. Mal abwarten, was die Anhörungen ergeben.

Sollte die SPD vor oder nach der NRW-Landtagswahl ihren Kanzlerkandidaten bestimmen?

Schäfer-Gümbel Es war immer klar, dass wir spätestens Anfang 2017 einen Kanzlerkandidaten haben wollen. Den kann man dann im Frühsommer auf einem Parteitag küren. Unabhängig davon bin ich der Auffassung, dass wir vor der NRW-Wahl eine ganz klare Vorstellung brauchen. Das ist machbar.

Was bedeutet das österreichische Wahlergebnis für Deutschland und die SPD?

Schäfer-Gümbel Ich bin sehr froh, dass nicht ein Rechtspopulist an die Macht gekommen ist. Dennoch sehe ich keinen Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Österreich ist tief gespalten, es hat einen deutlichen Rechtsruck gegeben. In Deutschland und der Sozialdemokratie müssen wir angesichts dessen gewarnt sein. Trotz der AfD-Erfolge sind wir aber von österreichischen Verhältnissen weit entfernt.

Mit Thorsten Schäfer-Gümbel sprach Jan Drebes.

(jd)
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