Analyse der Forschungsgruppe Wahlen Thüringen: Kein Signal für den Bund

Mannheim (RP). Bei der Landtagswahl hat die CDU massive Einbußen hinnehmen müssen. Noch stärker ist das Ansehen von Ministerpräsident Dieter Althaus nach der Analyse der Forschungsgruppe Wahlen gesunken. Dass die Partei dennoch die stärkste Kraft im Land ist, verdankt sie ihren Kompetenzen. Die Analyse.

Bei der Landtagswahl in Thüringen verliert die CDU bei massiven Einbußen nach zehn Jahren ihre absolute Mehrheit und erzielt ihr schwächstes Ergebnis bei einer Landtagswahl im Freistaat. Wie seit 1990 bleibt sie stärkste Partei, liegt aber nur noch knapp vor der Linken. Die SPD kann nach ihrem Rekordtief leicht zulegen, ist weiter aber nur drittstärkste Kraft. Gewinner sind auch FDP und Grüne, die beide erst zum zweiten mal die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Erstmals seit 15 Jahren wird aus dem thüringischen Landtag aus einem Drei- wieder ein Fünfparteienparlament.

Bei einer stark landespolitisch geprägten Wahl, bei der für 58 Prozent der Befragten Thüringen und nur für 35 Prozent der Bund wichtiger war, basieren die CDU-Verluste auf rückläufiger Zufriedenheit mit der Regierung in Erfurt sowie gesunkenem Parteiansehen vor Ort. Hinzu kommt ein Ministerpräsident, der neben einer schwachen Leistungsbilanz beim Image regelrecht eingebrochen ist.

Bei der Zufriedenheit mit der Landesregierung erreicht die CDU auf der +5/-5-Skala nach 1,0 vor fünf Jahren heute noch 0,3. Konnte sich die CDU in ihrer Außendarstellung früher signifikant positiv von allen anderen Parteien absetzen, rangiert sie heute als Landespartei mit 0,7 (2004: 1,4) auf einem Niveau mit einer klar verbesserten SPD (0,8; 2004: 0,0). FDP (0,3; 2004: minus 0,4) und Grüne (minus 0,2; 2004: minus 0,9) können sich ebenfalls steigern, das Ansehen der Linken geht mit minus 0,2 (2004: 0,2) dagegen zurück.

Nochmals erheblich stärker als bei der CDU als Partei ist die Reputation des Ministerpräsidenten gefallen. Wurde Dieter Althaus (CDU) vor der letzten Landtagswahl noch mit 2,1 benotet, erreicht er jetzt nur 0,5. Damit liegt er beim Image hinter SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie (1,0; 2004: 0,7), aber vor Bodo Ramelow von der Linken (0,2; 2004: 0,9). Dass Althaus seine Sache als Ministerpräsident eher gut macht, meinen nach 72 Prozent im Jahr 2004 heute nur noch 54 Prozent der Thüringer. Zwar spielte sein Skiunfall nach Angaben von 86 Prozent keine große Rolle bei ihrer Entscheidung. Wie der Regierungschef mit dem Thema umgegangen ist, fanden aber nur 17 Prozent richtig und 37 Prozent nicht richtig (kein Urteil: 43 Prozent). In der Frage nach dem gewünschten Ministerpräsidenten rangiert Althaus mit 44 Prozent sichtbar vor Bodo Ramelow (Linke) mit 32 Prozent; im Duell mit Christoph Matschie (SPD) gibt es dagegen ein Patt (Althaus 40 Prozent; Matschie 40 Prozent).

Dass die CDU dennoch stärkste Kraft in Thüringen bleibt, verdankt sie letztendlich ihren Parteikompetenzen. Beim wichtigsten Thema, Arbeitsmarkt und Jobs, wird ihr mit 25 Prozent mehr zugetraut als SPD (15 Prozent) oder Linke (zehn Prozent). Noch größer ist der Kompetenzvorsprung in Wirtschaftsfragen, wo die CDU 33 Prozent, die SPD nur 12 Prozent und die Linke lediglich sieben Prozent erreicht. In den Politikfeldern Schule, Familie oder Soziales liegen CDU, Linke und SPD allerdings nahe beieinander.

Die CDU hat in allen Altersgruppen starke Verluste erlitten und liegt bei den 45- bis 59-Jährigen mit 30 Prozent (minus 14 Punkte) mit der Linken mit 29 Prozent (plus eins) praktisch gleichauf. Auch bei Wählern mit höherer Bildung liegen CDU und Linke auf einem Niveau, nur bei Hauptschulabsolventen ist die CDU mit 36 Prozent klar stärker als die Linke mit 28 Prozent. Bei Arbeitslosen ist die Linke mit 42 Prozent (plus fünf) mehr als doppelt so stark wie die CDU mit 20 Prozent (minus 13), wobei die CDU ihre stärksten Verluste mit minus 15 Punkten bei berufstätigen Wählern hat.

Wenn zukünftig die Linke an der Regierung beteiligt wäre, fänden das 43 Prozent der Thüringer prinzipiell gut und 35 Prozent schlecht (egal: 20 Prozent). Allerdings hätten 53 Prozent lieber eine CDU-geführte Regierung mit der SPD als eine rot-rotes Bündnis unter Führung der Linken (33 Prozent).

Auch wenn sich in Thüringen die politischen Gewichte erheblich verschieben, taugt die Landtagswahl kaum als Stimmungstest für den Bund. In Erfurt, wo die CDU nach zehn Jahren Alleinherrschaft erhebliche Abnutzungserscheinungen zeigt, prägen spezifische Kontextbedingungen mit eigenen Themen und Personen das Wahlergebnis. Wahlbeteiligung und Wählerstruktur unterscheiden sich ebenfalls von der nationalen Ebene, hinzu kommt die im Osten typisch hohe Volatilität bei schwachen Parteibindungen: In kaum einem anderen Bundesland fielen die Ergebnisse auf Bundes- und Landesebene bisher so weit auseinander wie im Freistaat.

Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.163 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Thüringen in der Woche vor der Wahl sowie auf einer Befragung von 6.698 Wählern am Wahltag.

(fb/jre)
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