Totes Mädchen in Rheinland-Pfalz Mehr als eine Beziehungstat

Meinung | Berlin · Der gewaltsame Tod einer 15-Jährigen in einem Drogeriemarkt in Rheinland-Pfalz hat heftige Diskussionen ausgelöst. Der Bürgermeister ruft zu mehr Sachlichkeit auf. Doch in der Tat muss etwas passieren.

 Menschen im Ort Kandel haben Blumen in der Nähe des Tatorts gelegt. (Archiv)

Menschen im Ort Kandel haben Blumen in der Nähe des Tatorts gelegt. (Archiv)

Foto: dpa, arn fgj

Das wahre Alter von Flüchtlingen muss schneller festgestellt werden.

Der Mordfall von Kandel gehört zu jener Sorte Verbrechen, bei deren Ursachenforschung die menschliche Tragik des Falls, seine gesellschaftspolitischen Zusammenhänge und mögliche Versäumnisse staatlicher Stellen nicht leicht zu trennen sind. Sie ist mehr als eine Beziehungstat, als die sie die Polizei einstuft. Daher mahnt der Bürgermeister der unter Schock stehenden kleinen Stadt Kandel zu Recht, dass erst richtig aufgeklärt werden müsse, bevor Schlussfolgerungen gezogen werden.

Er beklagt sich auch über beschämende Mails. Die gibt es bestimmt und auch das prangert er zu Recht an. Hass kann nicht die Antwort auf eine solche Bluttat sein. Wenn der Verwaltungschef der betroffenen Stadt aber auch kritisiert, dass in den Mails von Politikerversagen die Rede sei, Abschiebungen und Konsequenzen gefordert würden, dann sollte auch er, seinem eigenen Rat folgen und die Ermittlungen abwarten, bevor er solche Anliegen als beschämend zurückweist.

Tragisch aus mehreren Gründen

Dieser Mordfall ist mehrfach tragisch. Er ist tragisch, weil eine 15-Jährige grausam umgekommen und ihren Eltern das Schlimmste passiert ist, was Eltern geschehen kann: Das eigene Kind so plötzlich und so grausam zu verlieren. Tragisch ist der Fall auch, weil er jenen Wasser auf die Mühlen gibt, die ohnehin mit Hetze gegen Fremde die Gesellschaft spalten wollen.

Und dann ist das Geschehen tragisch, weil es auch bei den Normalbürgern, die grundsätzlich bereit sind, den Flüchtlingen aus fremder Kultur offen zu begegnen, Zweifel sät. Sie verfestigt die Befürchtung, dass der Staat nach dem massenhaften Zuzug von Flüchtlingen 2015 und 2016 seine Bürger nicht mehr wirksam genug schützen kann. Umso dringlicher ist es, dass die Tat unter dem Blickwinkel untersucht wird, ob und wie sie nicht zu verhindern gewesen wäre.

Dringend das Alter klären

Ein zentraler Punkt für die Aufklärung wird das wahre Alter des Mordverdächtigen sein. Dringend muss geklärt werden, ob er tatsächlich als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen ist, was ihm nicht nur den Aufenthalt, sondern auch eine besonders fürsorgliche Behandlung sichert. Grundsätzlich wäre es angebracht, dass unbegleitete Minderjährige, die deutlich älter wirken, als sie vorgeben zu sein, medizinisch auf ihr wahres Alter untersucht werden. Andere Länder, in denen viele Flüchtlinge ankommen, machen das auch. Selbstverständlich kann die medizinische Überprüfung des Alters keine Morde verhindern, aber erwachsene Flüchtlinge landen in einem anderen Umfeld. Sie sind auch nicht wie die unbegleiteten Minderjährigen vor Abschiebung geschützt, wenn sie straffällig werden.

Eine absolute Sicherheit vor Taten wie der von Kandel gibt es selbstverständlich nicht. Erhöhte Aufmerksamkeit kann aber lebensrettend sein. Im Fall von Bedrohungen durch möglicherweise traumatisierte Menschen aus anderen Kulturen müssen die Behörden besonders hinschauen und im Zweifel schnell und hart reagieren. Der Verdächtige im Fall von Kandel war schon wegen Körperverletzung polizeilich aufgefallen. Eine Anzeige wegen Bedrohung, Nötigung und Beleidigung lag gegen ihn vor.

(qua)
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