Schule veröffentlicht Dementi Empörung über Weihnachtsverbot an deutscher Schule in der Türkei

Istanbul · Erstmals soll es ein Verbot des Themas Weihnachten im Unterricht an einer deutschen Schule in Istanbul gegeben haben. Deutsche Politiker und Kirchen reagieren mit Unverständnis und Empörung. Die Schule dementiert am Abend.

 Ein Blick auf den Pausenhof des Istanbuler Lisesi-Gymnasiums.

Ein Blick auf den Pausenhof des Istanbuler Lisesi-Gymnasiums.

Foto: dpa, fdt

Am renommierten Istanbul Lisesi, einer anerkannten deutschen Auslandsschule, darf das Thema Weihnachten in diesem Jahr angeblich nicht im Unterricht behandelt werden. "Es gilt nach Mitteilung der türkischen Schulleitung eben, dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird", heißt es in einer E-Mail, die die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi an das Kollegium schickte und die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Auch die Teilnahme des Schulchors am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat soll von der türkischen Schulleitung kurzfristig unterbunden worden sein.

 Diese E-Mail hat die die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi an das Kollegium geschickt.

Diese E-Mail hat die die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi an das Kollegium geschickt.

Foto: dpa, jai

Dementi der Schule

Am frühen Abend dementierte das Istanbul Lisesi dann, dass die vom Bildungsministerium in Ankara eingesetzte türkische Schulleitung ein Weihnachtsverbot erlassen habe. Das entspreche nicht der Wahrheit, hieß es in einer am Sonntagabend auf der Homepage der Schule veröffentlichten Mitteilung. Allerdings hätten die deutschen Lehrer im Unterricht "vor allem in den letzten Wochen Texte über Weihnachten und das Christentum auf eine Weise behandelt, die nicht im Lehrplan vorgesehen ist". Sie hätten dabei Aussagen gemacht, "die von außen betrachtet den Weg für Manipulationen freimachen".

Daraufhin habe die türkische Schulleitung "unverzüglich" ein Treffen mit der Leitung der deutschen Abteilung einberufen, heiß es weiter. Dabei seien die deutschen Lehrer aufgefordert worden, solche "Gerüchte nicht zu befördern". Sie seien außerdem aufgefordert worden, im Sinne der "Zusammenarbeit der beiden Länder" Sensibilität zu zeigen.

Zu der Absage der Teilnahme des deutschen Chors am Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat hieß es in der Stellungnahme der Schule, das sei nicht auf die türkische Schulleitung zurückgegangen. "Das betreffende Konzert wurde von den verantwortlichen deutschen Lehrern aus einem auch für uns nicht nachvollziehbaren Grund abgesagt." Aus dem deutschen Kollegium war dieser Darstellung schon zuvor widersprochen worden.

In der Mitteilung der Schule wurde die Berichterstattung als "Provokation" bezeichnet. "Es ist zu hinterfragen, wem diese Provokation dient. Es ist offensichtlich, dass dies den türkisch-deutschen Beziehungen nicht dient."

Mehrere deutsche Lehrer in Istanbul bestätigten "Spiegel Online", es gebe Anweisungen, auf Weihnachtslieder und Adventsfeiern zu verzichten. Ebenso habe es die Aufforderung gegeben, Adventskalender aus den Räumen in der Schule zu entfernen. Da es ein Verbot für alle Lehrer gebe, mit der Presse zu sprechen, wollte niemand namentlich genannt werden.

"Offenbar kein Interesse mehr an Austausch"

Vor der Veröffentlichung des Dementis gab es aus Politik und Gesellschaft Kritik an dem angeblichen Weihnachtsverbot.

Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) zweifelte am Nachmittag angesichts des Verbots am Sinn der deutsch-türkischen Schule. "Das zeigt für mich, dass es dort offenbar kein Interesse an einem offenen kulturellen Austausch mehr gibt", sagte Krings unserer Redaktion. "Deshalb muss man sich fragen, welchen Sinn eine solche deutsch-türkische Schule dann noch hat."

Auch das Auswärtige Amt reagiert mit Unverständnis. "Wir verstehen die überraschende Entscheidung nicht", hieß es am Sonntag in Berlin. "Es ist sehr schade, dass die gute Tradition des vorweihnachtlichen interkulturellen Austausches an einer Schule mit langer deutsch-türkischer Tradition in diesem Jahr ausgesetzt wurde. Wir nehmen das natürlich mit unseren türkischen Gesprächspartnern auf."

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach in den Funke Medien von einem Verstoß gegen die Religionsfreiheit als "erneuter Beweis, dass die Erdogan-Türkei alle Brücken nach Europa abreißt". Weihnachten gehöre zu Deutschland, "ohne Wenn und Aber", auch in einer deutschen Schule im Ausland.

Der türkische Staat und die Schulleitung müssten "jetzt sofort Klarheit schaffen, ob man die Zusammenarbeit will oder harte Konsequenzen riskieren möchte", forderte Scheuer. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung, die Bundesregierung dürfe das "Weihnachts-Verbot der türkischen Behörden" nicht akzeptieren, "auch nicht aus Rücksicht auf den Flüchtlings-Deal".

Der Religionsbeauftragte der Unions-Fraktion im Bundestag, Franz Josef Jung (CDU), nannte das Vorgehen an der Auslandsschule "vollkommen inakzeptabel". "Wenn die Bundesrepublik Deutschland die Lehrer an diesen Schulen finanziert, dann kann sie auch die Inhalte des Unterrichts bestimmen", erklärte Jung. "Darauf muss die Bundesregierung in Ankara dringen."

Zusatzvertrag zum Kulturabkommen

Das Istanbul Lisesi ist ein staatliches Gymnasium, an das Deutschland Lehrer entsendet. Die Schule gehört zu den besten der Türkei, zu den Absolventen zählt der frühere Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Das Istanbul Lisesi ist gebührenfrei und steht auch Kindern aus armen Familien offen, wenn sie entsprechende Leistungen erbringen: Nur die besten Schüler eines Jahrgangs dürfen das Istanbul Lisesi besuchen. Neben dem türkischen Abschluss können sie an der anerkannten deutschen Auslandsschule das Abitur erwerben und damit in der Bundesrepublik studieren. Die meisten Fächer am Istanbul Lisesi werden auf Deutsch unterrichtet.

(csi/felt/qua/dpa)
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