Interview mit Maria Böhmer Türkisch als Schulfach

(RP). Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer spricht sich für einen Integrationsvertrag mit Migranten aus. Von diesen fordert sie, dass sie deutsche Werte anerkennen.

 Staatsministerin Maria Böhmer - hier mit Jugendlichen bei einem Besuch in der Türkei

Staatsministerin Maria Böhmer - hier mit Jugendlichen bei einem Besuch in der Türkei

Foto: ddp

Sie planen einen Vertrag mit Menschen, die nach Deutschland einwandern wollen. Ist das wirklich mehr als ein Marketing-Gag?

Böhmer Natürlich. Wir wollen die Integration des Einzelnen verbindlicher gestalten. Damit soll der Einzelne bessere Chancen für ein eigenverantwortliches und erfolgreiches Leben in unserem Land erhalten. Wir wollen in dem Integrationsvertrag festhalten, was Migrantinnen und Migranten an staatlicher Hilfe erwarten können und was wir von ihnen erwarten. Wer beispielsweise nicht ausreichend Deutsch spricht, muss Sprachkurse belegen.

Wie binden Sie die Migranten selbst in Ihre Politik ein?

Böhmer Dafür soll ein Beirat eingerichtet werden, in dem vor allem Migranten aus unterschiedlichen Herkunftsländern, Wissenschaftler und weitere Experten vertreten sein sollen.

Das klingt nach riesiger Diskussionsrunde mit geringem Ertrag. . .

Böhmer Nein. Der Beirat soll eine überschaubare Größe haben. Wir werden sicherlich nicht alle Wünsche nach Mitwirkung erfüllen können.

Der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, dessen Bezirk eine Migranten-Hochburg ist, spricht von Parallelgesellschaften. Zu Recht?

Böhmer Buschkowsky provoziert bewusst, um die Aufmerksamkeit auf das Thema Integration zu lenken. In bestimmten Stadtteilen, gerade in Berlin, wird deutlich, dass die Versäumnisse in der Integrationsarbeit riesig sind. Das betrifft vor allem die Bereiche Sprache und Bildung. Herr Buschkowsky hat Recht, wenn er darauf hinweist. Wir finden in anderen Regionen Deutschlands auch hervorragende Beispiele von Integration. Da haben Migranten Unternehmen gegründet, arbeiten beispielsweise als Ärzte und Anwälte.

Aber das ist nicht die Mehrheit der Zuwanderer . . .

Böhmer Wir müssen beides in den Blick rücken. Wir müssen auf die Probleme, die es unbestritten gibt, hinweisen und alle Anstrengungen unternehmen, sie zu lösen. Das müssen wir beschleunigen. Wir müssen aber auch die guten Beispiele nach vorne rücken, um anderen Mut zu machen.

Wenn Integration scheitert, sind meistens ganze Familien betroffen. Das Problem wird von Eltern an die Kinder weitergegeben.

Böhmer Wir müssen die Verantwortung der Eltern für die Integration der Kinder stärken. Wir brauchen verstärkte Elternarbeit schon im Kindergarten. Als besonders hilfreich haben sich Stadtteilmütter erwiesen, die selbst Migrationserfahrung haben und Familien unmittelbar unterstützen. In Frankreich gibt es einen Familien-Integrationsvertrag. So etwas kann ich mir auch für Deutschland vorstellen. Dabei geht es vor allem darum, Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe zu stärken.

83 Prozent der türkischen Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder auf Türkisch unterrichtet werden. Ist das ein Alarmsignal?

Böhmer Nein. Ich glaube, gleich ob Sie spanische, türkische oder italienische Eltern fragen, ob ihre Kinder in ihrer Herkunftssprache unterrichtet werden sollten, würden die das auch bejahen. Eltern wünschen sich immer, dass die Kinder auch die Sprache ihrer Eltern sprechen können. Das geht Deutschen im Ausland nicht anders.

Also Türkisch-Unterricht an deutschen Schulen?

Böhmer Wenn die Struktur einer Schule es sinnvoll erscheinen lässt, dass Türkisch unterrichtet wird, dann kann man das sicherlich machen. Es ist doch von Vorteil, in zwei Sprachen zu Hause zu sein. Aber es muss klar sein, dass die Sprache des Landes, in dem man dauerhaft lebt, gut beherrscht werden muss, und das ist hier bei uns Deutsch. Wer Deutsch nicht beherrscht, ist nur Zaungast in unserem Land.

Werden wir angesichts der deutschen und der türkischstämmigen Bevölkerungsentwicklung in 20 Jahren in einem Land ohne deutsche Leitkultur leben?

Böhmer Das ist eine Frage der Werte, die uns verbinden. Wer in unserem Land lebt, muss unsere Werte anerkennen: die Menschenwürde, die Freiheit, das eigene Leben zu gestalten, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Diese Werte müssen nicht nur von denjenigen, die hier leben, akzeptiert werden, sie müssen auch mit Leben erfüllt werden, egal wo jemand herkommt.

(RP)
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