Überprüfung von Asylentscheidungen Der neue Flüchtlings-Check ist gut, reicht aber nicht

Meinung | Berlin · Zehntausende Asylentscheidungen aus den vergangenen beiden Jahren sollen in Deutschland überprüft werden. Das ist eine gute Entscheidung, aber das allein reicht nicht.

 Der Nürnberger Standort des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

Der Nürnberger Standort des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

Foto: dpa

Die Sicherheitsbehörden hatten es von Anfang an geahnt: Wenn binnen weniger Monate aus wenigen tausend mehrere hunderttausend Asylverfahren werden, dann entstehen Sicherheitslücken.

Eklatant vorgeführt hat das der rechtsextremistische Oberleutnant Franco A., der offenbar unter der falschen Identität eines anerkannten Flüchtlings Terroranschläge begehen wollte. Die daraufhin eingeleitete Nachprüfung von 2000 Fällen hat bei einzelnen Herkunftsländern eine Fehlerquote bis zu 46 Prozent ergeben.

Für das Vertrauen in ordnungsgemäß arbeitende Behörden ist das in normalen Zeiten ein Debakel. Aber was war schon normal im Jahr 2015 und bei der Abarbeitung der schwindelerregenden Antragsberge danach?

Daten können über zentrale Datei abgerufen werden

Der neue Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, drückte aufs Tempo, parallel wurden die Strukturen, Abläufe und Registrierungen modernisiert, was unter dem Strich das beruhigende Gefühl ergab, die Dinge seien zwar immer noch chaotisch, aber irgendwie auch auf einem guten Weg.

In der Tat brachte die gewaltige Herausforderung und das Ringen um das Schließen von Sicherheitslücken zustande, was in den Jahrzehnten zuvor nicht gelungen war: dass die Daten einzelner Flüchtlinge in Deutschland über eine zentrale Datei von allen Behörden abgerufen und Mehrfach-Antragsteller entlarvt werden können. Inzwischen. Aber das dauerte, und auch ein deutscher Oberleutnant mit finsteren Gedanken konnte von den Lücken profitieren. Obendrein rutschte er durch, weil die am Verfahren Beteiligten eklatante Fehler machten.

Es ist eine gute Entscheidung, die ohnehin nach drei Jahren fälligen Überprüfungen von Flüchtlingen mit Aufenthaltserlaubnis für einen beträchtlichen Teil vorzuziehen. Wenn es unter einer Stichprobe mit 2000 Verfahren eine derartige Fülle an Mängeln gibt, was mag dann erst bei der Überprüfung von bis zu 100.000 Verfahren auf den Tisch kommen? Aber auch das reicht nicht.

Den Druck auf Zugriff der Daten aller europäischen Länder erhöhen

Die Festlegung des Innenministers auf Franco A. als puren Einzelfall ist gewagt. Zu Recht weist sein eigener Verfassungsschutz darauf hin, dass viele Flüchtlinge weiterhin nach ihren eigenen Angaben registriert, nicht aber zweifelsfrei identifiziert seien.

Wenn die Nachprüfungen eine Fehlerquote von nullkommairgendwas ergeben hätte, wäre das Vorgehen angemessen. Aber diese eklatanten Zahlen gehen eher in Richtung Behördenversagen, und so steht die gesamte nochmalige Sichtung aller Ankömmlinge weiter aus. Je eher sie in Angriff genommen wird, desto schneller kann das verbreitete Misstrauen in die Behördenarbeit schwinden.

Gleichzeitig muss Deutschland den Druck auf einen einheitlichen Zugriff auf Migrantendaten aller europäischen Länder erhöhen und selbst beim Einstellen von Informationen über auffällige und verdächtige Flüchtlinge vorangehen. Es darf nicht sein, dass auch heute noch die eine Zentraldatei Personaldaten ohne Fingerabdrücke und die andere Fingerabdrücke ohne Personaldaten speichert.

In Zeiten ohne Terrorbedrohung mag man das mit dem leider üblichen europäischen Schneckentempo angehen. Aber die Zeiten sind nicht so.

(may-)
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