Besuch in Washington Merkels Friedensmission in Amerika

Washington · Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am späten Sonntagabend in Washington gelandet. Bei ihren Gesprächen heute will sie die Amerikaner davon überzeugen, keine tödlichen Waffen an die Ukraine zu liefern. Präsident Obama hält sich alle Optionen offen, doch der Druck auf die Kanzlerin ist groß.

Angela Merkel unterwegs im Krisenmodus
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Angela Merkel unterwegs im Krisenmodus - stressige Tage für die Kanzlerin

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Inmitten der heißen Phase der Ukraine-Krise reist die Kanzlerin in die USA. Sie will ihre Gesprächspartner davon überzeugen, dass eine mögliche Lieferung von todbringenden Waffen an die Ukraine den schweren Konflikt zwischen Ost und West nicht lösen kann.

Die Reise war lange geplant. Neun Monate nach ihrem letzten Aufenthalt in den USA wollte Merkel den Kurztrip in die Staaten und nach Kanada nutzen, um den G7-Gipfel, der im Juni im bayerischen Schloss Elmau stattfindet, vorzubereiten. Bei ihren Gesprächen wird es also auch um die Bekämpfung von Seuchen wie Ebola und den beruflichen Aufstieg von Frauen weltweit gehen. Im Mittelpunkt aber steht die Ukraine-Krise, die Merkel in einem mit vielen Risiken behafteten Kraftakt zu lösen versucht.

Im Terminplaner der Kanzlerin ist für den Montag zunächst ein Frühstück mit weiblichen Führungskräften aus Wirtschaft und Politik vorgesehen. Im Anschluss wird sie zum Weißen Haus fahren und dort von US-Präsident Barack Obama empfangen, heißt es auf der Website der Kanzlerin. Nach einem gemeinsamen Gespräch ist eine Pressekonferenz geplant. Am frühen Nachmittag wird die Kanzlerin ein Gespräch mit dem Präsidenten der Weltbankgruppe, Jim Yong Kim, führen. Anschließend reist Merkel weiter nach Kanada.

 Vor der Maschine der Kanzlerin hat sich ein langer Tross von Fahrzeugen aufgereiht. In einem davon sitzt unsere Redakteurin Eva Quadbeck.

Vor der Maschine der Kanzlerin hat sich ein langer Tross von Fahrzeugen aufgereiht. In einem davon sitzt unsere Redakteurin Eva Quadbeck.

Foto: Eva Quadbeck

So groß sich die Vielfalt der Themen auch darstellt, der Fokus liegt auf der Krise in der Ukraine. Während sie auf dem europäischen Kontinent seit Monaten bemüht ist, Moskau Zugeständnisse abzuringen und die Position der Ukraine gegenüber dem militärisch überlegenen Russland zu stärken, liegt ihre Mission in Amerika darin, mögliche Lieferungen von tödlichen Waffen an die Amerikaner zu verhindern.

Teile der amerikanischen Politik, wie Senator John Mc Cain setzen sich vehement für solche Waffenlieferungen ein. Noch am Samstag überzogen republikanische US-Senatoren die Kanzlerin mit überaus scharfer Kritik, verglichen ihre diplomatische Bemühungen mit der Appeasement-Politik gegenüber Hitler oder sprache ihr jegliche Eignung zur Politik ab. Zur Weißglut soll die deutsche Politik insbesondere ein Vorwurf in Anlehnung an die DDR gebracht haben, der der Kanzlerin indirekt absprach, sich für Freiheitsrechte einzusetzen.

Präsident Barack Obama hat sich bislang in der Frage von Waffenlieferungen nicht öffentlich positioniert. Er will sich offenbar erst im persönlichen Gespräch die Argumente der Kanzlerin anhören.

Obama will sich an diesem Montag im Oval Office mit Merkel beraten. Stimmen wie die des designierten Verteidigungsministers Ashton Carter, der Waffenlieferungen befürwortet, sind dabei durchaus erwünschte Begleitmusik. Es sind keine Ausrutscher, vielmehr sollen sie aller Welt zeigen, wie intensiv Obama den Fall im eigenen Kreis diskutieren lässt. Denn der US-Präsident hadert mit der Militärhilfe für die Ukraine.

Dass der Ruf nach Waffenlieferungen in den USA an Lautstärke zunimmt, macht die Sache für Merkel nicht eben leichter. Eine Entscheidung wird Obama voraussichtlich nicht an diesem Montag fällen, sondern vielmehr vom Verlauf der Woche auf dem europäischen Kontinent abhängig machen.

In einer Telefonkonferenz am Sonntagvormittag hatten sich die Präsidenten von Russland, der Ukraine und Frankreich sowie die deutsche Bundeskanzlerin darauf geeinigt, am kommenden Mittwoch in Minsk ein Gipfeltreffen im "Normandie-Format" abzuhalten - also mit Vertretern jener Staaten, die auch an der Telefonkonferenz beteiligt waren.

Ziel ist es, die Waffenstillstandsvereinbarung vom September neu zu beleben. Trotz der damals detaillierten Festlegungen war das Abkommen gescheitert. Nun sollen die Beteiligten vor Ort noch genauer vereinbaren, welche Schritte wann und wie auf dem Weg zu einem Waffenstillstand gegangen werden müssen. Dafür wird sich zudem die "trilaterale Kontaktgruppe" aus Vertretern der OSZE, Russlands und der Ukraine sowie Vertretern der Separatisten treffen. Sollte es bis Ende der Woche nicht gelingen, die Konfliktparteien auf einen erneuten Waffenstillstand zu verpflichten, dürften weitere Sanktionen Europas gegen Russland und Waffenlieferungen der USA an die Ukraine nur noch eine Frage der Zeit sein.

Mit ihrer offensiven Diplomatie geht Merkel ein für ihre Verhältnisse ungewohnt hohes Risiko ein - Scheitern eingeschlossen. Ihr Einsatz im Schulterschluss mit dem französischen Präsidenten Hollande dürfte auch der Erkenntnis geschuldet sein, dass man nicht mehr jeden Konfliktherd auf der Welt den Amerikanern überlassen kann. Im Jahr der deutschen G7-Präsidentschaft ist die Bundesregierung bemüht zu demonstrieren, dass die Übernahme von mehr Verantwortung in der Welt sich nicht in der Lieferung von Waffen erschöpfen kann.

(qua)
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