Umstrittene Rede Homo-Ehe - Oettingers neuester Fettnapf

Brüssel/Hamburg · Lange Zeit hat er einen Bogen um die einst häufig getroffenen verbalen Fettnäpfchen machen können: Jetzt hat EU-Kommissar Günther Oettinger wieder mal zugeschlagen und Empörung mit einer abschätzigen Bemerkung über die Homo-Ehe ausgelöst.

 Günther Oettinger

Günther Oettinger

Foto: dpa

Bei der Veranstaltung eines Unternehmensverbands am Mittwoch in Hamburg sagte der CDU-Politiker: "Die deutsche Tagesordnung mit Mütterrente, Mindestrente, Rente mit 63, Betreuungsgeld, der komischen Maut, die aber nicht kommen wird, bald noch mit der Pflicht-Homoehe, wenn sie eingeführt wird - die deutsche Tagesordnung genügt meiner Erwartung an deutsche Verantwortung in keiner Form."

Videoauszüge der Rede wurden am Freitag auf YouTube veröffentlicht. Die EU-Kommission wollte die Äußerungen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Samstag nicht kommentieren, zog deren Echtheit aber auch nicht in Zweifel.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck zeigte sich schockiert: "Ein Wahnwichtel fürchtet sich von der homosexuellen Zwangsverheiratung: Der homophobe Spruch von der drohenden Pflicht-Homoehe zeugt davon, dass der Herr Kommissar die letzten Jahrzehnte verschlafen hat", teilte er mit.

"Unfassbare Alt-Herren-Witze"

Die Sprecherin des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), Stefanie Schmidt, sprach von unfassbaren "Alt-Herren-Witzen" Oettingers. "Ein EU-Kommissar muss glaubhaft die europäischen Werte von Nichtdiskriminierung vertreten können, anstatt rassistischen und homophoben Vorurteilen das Wort zu reden." Wenn Oettinger sich nicht schleunigst entschuldige, disqualifiziere er sich für sein Amt. Erst am Freitag teilte die EU-Kommission mit, dass Oettinger mit dem Abgang einer EU-Kommissarin die Zuständigkeit für Haushalt und Budget übernehmen soll.

Oettinger äußert sich in dem Video auch abschätzig über eine chinesische Regierungsdelegation auf Brüssel-Besuch und macht eine fragwürdige Bemerkung über Frauen. "Alle Anzug, Einreiher, dunkelblau. Alle Haare von links nach rechts, mit schwarzer Schuhcreme gekämmt", sagt der EU-Kommissar für Digitalwirtschaft unter Gelächter der Zuhörer. "Neun Männer, eine Partei, keine Demokratie. Keine Frauenquote, keine Frau, folgerichtig."

"Ist das die richtige Botschaft Deutschlands an Europa?"

Der Grünen-Politiker Beck erklärte, Oettinger müsse seine "Herabwürdigungen" von Frauen, Chinesen und Homosexuellen schleunigst einsammeln. "Ansonsten muss sich die Union fragen, ob das die richtige Botschaft Deutschlands an Europa ist."

Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger fällt nicht zum ersten Mal mit kontroversen Wortmeldungen auf. 2007 bescheinigte er dem einstigen Marinerichter Hans Filbinger in der Trauerrede bescheinigte, er sei "kein Nationalsozialist" gewesen. 2013 sagte er zu den zögerlichen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verärgert: "Ich möchte wetten, dass einmal ein deutscher Kanzler oder eine Kanzlerin im nächsten Jahrzehnt mit dem Kollegen aus Paris auf Knien nach Ankara robben wird, um die Türken zu bitten, Freunde, kommt zu uns."

Alles nicht so gemeint

Am späten Samstagnachmittag dann hat sich Oettinger gegen den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit verteidigt. Dass er in seiner umstrittenen Rede das Wort "Schlitzauge" verwendet habe, sei nicht anstößig gemeint gewesen. "Das war eine etwas saloppe Äußerung, die in keinster Weise respektlos gegenüber China gemeint war", sagte er der "Welt". "Ich wollte im digitalen Sektor, generell bei technologisch geprägten Sektoren aufzeigen, wie dynamisch die Welt ist. Und welche Herausforderung das enorme Tempo der Aufholjagd von Ländern wie China und Südkorea für uns darstellt. Und ich wollte in diesem Zusammenhang vor Selbstzufriedenheit warnen." Er fügte hinzu: "Die Chinesen sind einfach clever." Wenn sie einen Technologievorsprung Europas nicht selbst aufholen könnten, dann kauften sie entsprechende Firmen. "Europäische Unternehmen stehen da umgekehrt in China vor größeren Hürden."

Auch die Home-Ehe habe er nicht als solche angreifen wollen, sagte Oettinger, der von "Homo-Pflichtehe" gesprochen hatte. "Ich habe die Homo-Ehe in einer Liste von Themen, Initiativen und Debatten genannt, die in Deutschland die politische Tagesordnung bestimmen", erläuterte er. "Mir geht es darum, diese Liste an Themen zu ergänzen - insbesondere um das Thema Wettbewerbsfähigkeit."

Er sei auch nicht gegen eine Frauenquote. "Die Quote ist ein wichtiges Instrument, um eine angemessene Mindestbeteiligung von Frauen in Spitzengremien zu erreichen", sagte Oettinger. Seine Rede sei nicht anstößig gemeint gewesen. "Man muss den Gesamtzusammenhang sehen, in dem ich mich geäußert habe", sagte er.

Nach Oettingers umstrittener Rede hat SPD-Generalsekretärin Katarina Barley seine Eignung als künftiger EU-Haushaltskommissar in Frage gestellt. "Jemand, der offene rassistische und homophobe Ressentiments bedient, disqualifiziert sich für politische Spitzenposten", sagte sie "Spiegel Online". "Günther Oettinger sollte mal dringend sein Weltbild überprüfen. Ein EU-Haushaltskommissar mit solchem Gedankengut könnte der ganzen EU Schaden zufügen."

(felt/dpa)
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