Bürgerschaftswahl in Bremen Unauffällig, uneitel - und erfolgreich

Meinung | Bremen · Schwere Schlappe für Rot-Grün, ein Erfolg für die FDP: Nach der Bürgerschaftswahl in Bremen gibt es Verlierer, die Gewinner sind - und umgekehrt. SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen wird weiterregieren können - weil die Menschen eine Eigenschaft an ihm besonders schätzen.

 Jens Böhrnsen (SPD) kann Bürgermeister in Bremen bleiben. Doch seine Partei hat das schlechteste Ergebnis seit 1946 eingefahren.

Jens Böhrnsen (SPD) kann Bürgermeister in Bremen bleiben. Doch seine Partei hat das schlechteste Ergebnis seit 1946 eingefahren.

Foto: dpa, pg hpl

Rot-Grün hat in Bremen eine empfindliche Schlappe erlitten. Die SPD fuhr ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946 ein und verlor mehr als fünf Prozentpunkte. Noch schlimmer traf es die Grünen. Allerdings hatten sie bei der letzten Wahl 2011 unter dem Eindruck der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima auch ein Allzeithoch von über 22 Prozent feiern können, das sie 2015 realistischerweise auch beim besten Willen nicht hätten wiederholen können.

Die CDU erreichte einen kleinen Achtungserfolg, eroberte einige wenige Prozentpunkte hinzu und erreichte diesmal den zweiten Platz, nachdem es 2011 nur zum dritten gelangt hatte. Für die FDP ist der Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft ein schöner Erfolg, der allerdings weniger auf sachlichen Argumenten als auf dem PR-Talent einer 29-jährigen parteilosen Spitzenkandidatin und Unternehmerin beruhte. Die AfD zeigt sich gegenüber früheren Landtagswahlen deutlich geschwächt.

Klare Überraschungssiegerin dieser Wahl jedoch ist die Linke, die ihr Wahlergebnis von 2011 fast verdoppeln konnte. Natürlich machten die Bürger die Regierungskoalition aus SPD und Grünen dafür verantwortlich, dass die Hansestadt wirtschaftlich nicht so nach vorne kommt wie der Rest des Landes. Weil die Städte Bremen und Bremerhaven mehrheitlich links ticken, konnten die Linken von der Frustration über Rot-Grün am meisten profitieren.

Die Pro-Kopf-Verschuldung Bremens liegt mit 30000 Euro pro Einwohner so hoch wie in keinem Bundesland. Die Arbeitslosenzahl sinkt kaum, obwohl Deutschland von Beschäftigungsrekord zu Beschäftigungsrekord rast. Das Land steckt in einem Schuldenstrudel, aus dem es mit eigener Kraft nicht herauskommt, obwohl Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) als Mangelverwalterin einen soliden Job machte. Sie hat sparen müssen, weil ihr nichts anders übrig blieb. Dass ihr das viele Bürger, die von den staatlichen Angeboten besonders abhänge, übelgenommen haben, erklärt sich von selbst.

SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen wird also weiter regieren können, auch wenn noch offen ist, ob er dafür neben den Grünen auch die Linken brauchen wird. Böhrnsen ist bundespolitisch ein unbeschriebenes Blatt. Abgesehen davon, dass er als damaliger Bundesratspräsident nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff (CDU) für ein paar Wochen die Geschäfte im Schloss Bellevue geführt hatte, ist in seiner Akte, was Berlin angeht, nichts vermerkt.

Doch Böhrnsen hat sich ähnlich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) oder Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) einen präsidialen Regierungsstil zugelegt, den die Leute schätzen: Unauffällig, bieder, uneitel - und ab und zu effektiv. Zum Beispiel, wenn es darum geht, frisches Geld für Bremen zu organisieren: Dass die Hansestadt bei der Bund-Länder-Finanzreform wieder eine Extrawurst bekommt und zusammen mit dem Saarland mit neuen Finanzspritzen des Bundes rechnen kann, ist schon ausgemachte Sache.

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