Kommentar zu Rekord-Steuereinnahmen Und keiner denkt an die Steuerzahler

Meinung | Düsseldorf · Die Steuern sprudeln mal wieder üppig. Die Rekordeinnahmen von fast 600 Milliarden Euro wecken jede Menge Begehrlichkeiten. Aber wieso denkt eigentlich niemand an die Steuerzahler?

Wieviel Netto bleibt vom Brutto – eine Übersicht
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Wieviel Netto bleibt vom Brutto?

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Foto: dpa, dan pzi htf jai

Fast 600 Milliarden Euro haben Bund und Länder im vergangenen Jahr eingenommen, so viel wie noch nie. Obwohl die Gemeindesteuern noch gar nicht dabei sind, zahlen die Bürger Deutschlands jedes Jahr ein Fünftel ihrer Wirtschaftsleistung an den Staat.

Nimmt man die Beiträge zur Sozialversicherung und die Gemeindesteuern hinzu, sind es gar 44,5 Prozent — Tendenz steigend. Der stete Einnahmestrom weckt ständig Begehrlichkeiten bei ausgabefreudigen Politikern, die um ihre Wiederwahl besorgt sind. Die teuren Rentenpakete, die den Beitragszahler rund 160 Milliarden Euro kosten, sind gerade erst Gesetz geworden, da tauchen schon neue Wünsche auf: bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder, mehr Geld für Eingliederungsbeihilfen, höhere Pflegeleistungen, zusätzliche Mittel für Krankenhäuser, eine Runderneuerung der Verkehrsinfrastruktur, weitere Bildungsausgaben, Ausbau der inneren und äußeren Sicherheit. Das sind alles nachvollziehbare Aufgaben, die in der Vergangenheit vernachlässigt wurden. Aber was auffällt: Keiner fragt mal nach, ob man das zusätzliche Geld auch dem Bürger zurückgeben könnte. Da ist nicht nur die viel beschworene "kalte" Progression, die den Beschäftigten einen immer größeren Teil des Einkommens wegsteuert, auch wenn die Zuwächse von der Inflation aufgefressen werden. Es ist auch der "Soli", der 2019 ausläuft, und der allein dem Bund 15 Milliarden Euro bringt. Warum wird der nach dem Ende des Aufbaus Ost nicht wenigstens teilweise den Bürgern zurückgegeben?

Es hat den Anschein, dass Finanzminister aller Couleur in erster Linie fiskalisch denken. Das heißt, sie möchten möglichst viel in der Kasse haben und möglichst wenig ausgeben. Deshalb wird von ihnen kaum der Anstoß zu Steuersenkungen kommen. Lieber halten sie sich einige Reserven oder bauen Schulden ab. Die Abgeordneten der Parlamente haben ebenfalls wenig Lust auf Steuersenkungen. Denn sie sind eher interessiert, in ihren Fachgebieten (Sozial- und Familienpolitik) oder ihren Wahlkreisen das Geld fließen zu lassen. Sie sind im Grunde die besten Lobbyisten für ihre Klientel. Mit dem Nachteil freilich, dass die Steuer- und Abgabenschraube ständig angezogen wird, im besten Fall gleich bleibt. An Steuer- und Abgabensenkungen ist auch hier nicht zu denken. Wenn mal der Rentenbeitrag fällt, weil genügend Geld in der Kasse ist, wird sofort der Pflegebeitrag angehoben, weil hier ein enormer Bedarf in einer alternden Gesellschaft besteht. Und so geht es immer weiter.

Vielleicht fehlt doch eine Partei, die mit Steuersenkung identifiziert wird — wie früher die FDP. Sollte sie je wieder in den Bundestag einziehen, darf sie dieses Thema nicht vergessen, auch wenn sie 2009 mit dem Anspruch, die Steuern zu senken, grandios gescheitert ist. Aber auch die Wirtschaftspolitiker in der Union oder bei den Grünen sollten über Strategien nachdenken, wie sie Steuersenkungen umsetzen könnten. Von der SPD und der Linken ist in dieser Hinsicht wenig zu erwarten. Die haben ein fast erotisches Verhältnis zu hohen Steuern.

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