Konrad Freiberg im Interview "Ungeheuere Aggressivität von jungen Leuten"

Stuttgart (RP). Nach den Ausschreitungen bei den Protesten gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21" erhebt der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, schwere Vorwürfe gegen Politik und Demonstranten. Vor allem von jungen Leuten vor Ort gehe eine "ungeheuere Aggressivität" aus. Die Politik mache indes Wahlkampf auf dem Rücken der Polizei.

 Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, wehrt sich gegen die Regierungspläne zum Einsatz von Polizisten in Afghanistan.

Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, wehrt sich gegen die Regierungspläne zum Einsatz von Polizisten in Afghanistan.

Foto: AP, AP

Wie beurteilen Sie die Lage in Baden-Württemberg?

Freiberg Das ist eine unerfreuliche Entwicklung. Man kann nicht politische Konflikte, ob für oder gegen Stuttgart 21 mittels Polizei lösen. Die Polizei ist weder für noch gegen dieses Bahn-Großprojekt. Die Polizei muss den Rechtsstaat durchsetzen. Das ist ihre Aufgabe.

Liegt die Schuld für die Eskalation bei der Politik?

Freiberg Ja, natürlich. Hier wird eine politische Auseinandersetzung geführt und die Polizei steht dazwischen. Es ist umso schwieriger für die Polizei, wenn sie ein Gegenüber hat, das aus normalen Bürgern besteht, aus Jugendlichen. Insbesondere wenn es darum geht, eine solche Auseinandersetzung über einen längeren Zeitraum führen zu müssen.

Wird da Wahlkampf auf dem Rücken der Polizei gemacht?

Freiberg Das kann man sagen. Da wird Wahlkampf auf dem Rücken der Polizei gemacht. Die politische Machtfrage spielt eine große Rolle. Stuttgart 21 ist bundesweit zum Politikum geworden, nachdem sich die Bundeskanzlerin und der SPD-Chef dazu geäußert haben. Beide haben die Landtagswahl zur Abstimmung über Stuttgart 21 gemacht.

Ist in Stuttgart ein Schlichter notwendig, der die Streitparteien zusammen bringt?

Freiberg Man muss in Stuttgart eine Möglichkeit des Miteinanders finden. Alle Verantwortlichen müssen an einen Tisch. Der Konflikt kann nicht mit diesem Polizeieinsatz gelöst werden. Im Moment sehe ich die Gefahr, dass die Lage mit Blick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg sich weiter radikalisiert.

Die Berichte von den Demonstrationen gehen auseinander. Sind die Demonstranten aggressiv oder wird auf anständige Bürger eingeknüppelt?

Freiberg Von vielen jungen Menschen geht dort eine ungeheuere Aggressivität gegen Polizisten aus. Das ist erschreckend. Dort wird so getan, als würde die Polizei mit Wasserwerfern und Reizgas gegen die Demonstranten vorgehen. Das ist falsch. Es haben sich aber Aktivisten vor die Kameras gestellt und geheult und nachdem die Kamera weg war, haben sie gelacht.

Das gab es an mehreren Stellen. Dafür gibt es Beweise. Von Protestlern sind Rauchbomben geworfen worden, die der Polizei angedichtet wurden. Es sind auch Mütter mit Kleinkindern ins Getümmel gegangen, obwohl sie von anderen Demonstranten gewarnt wurden, an bestimmte Stellen nicht mit kleinen Kindern zu gehen. Für die Polizei ist das eine ungeheuer schwierige Situation. Denn wir können nicht die Schlichter sein. Die Schlichtung muss in der Politik stattfinden.

(RP)
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