Friedrichs Projekt heißt nun Mindestdatenspeicherung Union benennt Vorratsdatenspeicherung um

Berlin · Der Spionage-Skandal rund um den US-Geheimdienst NSA empört die Gemüter. Und das nur wenige Monate vor der Bundestagswahl. Schon machen Medienberichte die Runde, die Union sei angesichts dessen in ihrem Wahlprogramm von der Vorratsdatenspeicherung abgerückt. Doch davon kann bei Weitem nicht die Rede sein.

Vorratsdatenspeicherung: Fragen und Antworten
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Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

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Foto: dapd, Thomas Kienzle

Spiegel Online schreibt von einem leisen Kurswechsel, der nach Informationen des Portals in letzter Minute vorgenommen wurde. Die Union spricht in ihrem Wahlprogramm nun nicht mehr von Vorratsdatenspeicherung, sondern von Mindestdatenspeicherung. Konkret heißt es dort: "Mindestspeicherfristen für Verbindungsdaten sind notwendig, damit bei der Verfolgung von schweren Straftaten auf Anordnung eines Ermittlungsrichters oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit ein Datenzugriff erfolgen kann."

Die Union, diese Interpretation sei am Donnerstag in der CSU-Spitze zu hören gewesen, so Spiegel Online, strecke nach jahrelangem Kampf mit den Liberalen die Waffen. Auch sei in der Partei zu vernehmen gewesen, dass Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in diesen Kursschwenk eingeweiht gewesen wäre. Ähnlich berichtet es auch die "Welt".

Doch rückt Friedrich tatsächlich von seinem Kurs ab? Nein. Schließlich hat der Innenminister bei jeder Gelegenheit betont, wie sehr die Bundesrepublik die Vorratsdatenspeicherung benötige, damit das Internet nicht zum rechtsfreien Raum werde. In dieser Hinsicht gab er gern den Hardliner, während seine Kabinettskollegin, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sich als Datenschützerin profilierte.

Jahrelanger Streit zwischen Union und FDP

Denn seit Jahren schwelt der Streit zwischen Union und FDP, wie denn nun die Vorratsdatenspeicherung aussehen solle. Die Bundesrepublik ist zur Umsetzung einer EU-Richtlinie verpflichtet, doch das Bundesverfassungsgericht hat ein entsprechendes Gesetz 2010 gekippt. Seither wird nach einer Lösung gesucht. Während Friedrich sich immer für eine Speicherung sämtlicher Daten von sechs Monaten ausgesprochen hatte, warb Leutheusser-Schnarrenberger für eine anlassbezogene Speicherung. Inzwischen hat Berlin eine Frist der EU verstreichen lassen, ein Verfahren kommt auf die Bundesrepublik zu.

Und angesichts dieses drohenden Verfahrens soll nun die Union wegen des Wahlkampfes auf ihren Standpunkt verzichten? Nicht wirklich, denn dass im Wahlprogramm nun von Mindestdatenspeicherung die Rede ist statt von Vorratsdatenspeicherung kann auch ganz andere Hintergründe haben, wie etwa der Blog netzpolitik.org eruiert hat. Denn Friedrich hat diesen Begriff schon einmal genutzt. So heißt es in dem Blog, dass der Innenminister auf dem 23. Bundeskongress der Deutschen Polizeigewerkschaft zum Begriff Mindestdatenspeicherung erklärt habe: "Dieser Begriff ist besser, denn bei Vorratsdatenspeicherung wird man merkwürdig angeschaut."

Es war nicht das einzige Mal, dass Friedrich den Begriff Mindestdatenspeicherung nutzte. Schon im April dieses Jahres hatte er vor Ablauf der EU-Frist gesagt: "Wir brauchen im Interesse der Sicherheit unserer Bürger diese Mindestspeicherfristen." Schließlich gebe es eine Verpflichtung, die EU-Richtlinie umzusetzen. Und diese Richtlinie besagt, dass sämtliche Telefon- und Internetdaten anlasslos für sechs Monate gespeichert werden.

Sorge vor Strafzahlungen

Auch im Juni hatte der Innenminister noch darauf beharrt, dass die Justizministerin nun endlich handeln müssen, um Millionenstrafen und "Schaden von Deutschland" abzuwenden, da auch Schweden von der EU Strafzahlungen aufgedrückt bekommen hatte. Entsprechend seiner Linie und dem Druck aus Brüssel ist also kaum anzunehmen, dass die Union nun eine Kehrtwende macht.

Vielmehr hat man sich einfach für eine Begriffsänderung ausgesprochen, die schon vorher nach und nach umgesetzt wurde. Nun kann es durchaus sein, dass angesichts des NSA-Skandals die Änderung erst in letzter Minute erfolgte. Doch eine Namensänderung ist eben noch lange kein Hinweise darauf, dass sich auch inhaltlich etwas ändert.

Ohnehin sind Union und Liberale in dieser Legislaturperiode bei den Verhandlungen nicht wirklich vorangekommen. Und angesichts der parlamentarischen Sommerpause zeigt sich auch, dass vor der Bundestagswahl nichts mehr entschieden werden wird bei diesem Thema. Je nachdem wie die Wahl im September dann ausgeht, wird aber die Vorrats- oder Mindestdatenspeicherung wieder auf dem Tisch liegen.

Inzwischen hat sich auch die Union zu den Berichten geäußert. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte in Berlin: "Das ist eine Ente und völlige Fehlinterpretation."

(das)
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