Parlamentarisches Nachspiel für Thierse Union bringt Sitzblockade vor den Ältestenrat

Berlin (RPO). Die Sitzblockade von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am 1. Mai in Berlin wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Unionsfraktion will den Vorgang zum Thema im Ältestenrat an diesem Donnerstag machen.

Wolfgang Thierse demonstriert gegen Nazis
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"Grundsätzlich gilt der Satz: Ein Parlamentarier kämpft mit Worten im Parlament und nicht auf der Straße gegen die Polizei", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Müller (CSU). Deshalb sei es sicherlich sinnvoll, wenn sich Thierse bei der nächsten Sitzung des Ältestenrates erkläre, "warum er sich nicht an dieses demokratische Prinzip gehalten hat", erklärte Müller.

Thierse hat seine Teilnahme an einer Sitzblockade gegen eine Neonazi-Kundgebung in Berlin wiederholt verteidigt. "Ich habe als Bundestagsvizepräsident die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wie alle anderen auch", sagte er dem "Tagesspiegel" in seiner Mittwochausgabe. Er sei betroffen darüber, dass ihm innerhalb seiner Partei schäbige Motive unterstellt werden.

Die Unterstellungen seien "ein Beispiel der berühmt-berüchtigten sozialdemokratischen Solidarität", sagte Thierse. Andere zu Courage aufzufordern "und sich selbst bei Gelegenheit in die Büsche zu schlagen" sei würdelos.

Linke und Grüne hatten Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) gegen Kritik wegen seiner Teilnahme an einer Sitzblockade am 1. Mai den Rücken gestärkt.

Der SPD-Politiker habe mit seinem Protest gegen einen Neonazi-Aufmarsch "genau das richtige Signal gesetzt", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, am Dienstag in Berlin. Jelpke warf zugleich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Diffamierung und Kriminalisierung des Widerstands gegen Neonazis vor. Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth sagte, Thierse Aktion verdiene großen Respekt.

Thierse hatte sich am 1. Mai an einer Sitzblockade gegen einen Aufzug von rund 700 Rechtsextremisten im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg beteiligt. Nach Aufforderung der Polizei räumte er freiwillig die Straße. Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht darin einen "öffentlich zelebrierten Rechtsbruch" und forderte den Rücktritt Thierses.

Roth sagte, statt den Bundestagsvizepräsidenten dafür zu kritisieren, dass er Zivilcourage gezeigt habe, sollten Innenminister Thomas de Maizière und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) lieber über ihre Versäumnisse im Kampf gegen den Neonazismus nachdenken.

Vor allem Schröder trete immer wieder mit einem "unscharfen Extremismusbegriff in Erscheinung und entmutigt damit zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Neonazismus. Das ist der eigentliche Skandal."

Jelpke betonte, Blockaden von Neonazi-Aufmärschen seien kein Angriff auf die Demokratie, sondern sollten eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn de Maizière einen friedlichen Protest gegen Neonazis als "Arroganz gegenüber dem Staat" diffamiere, verkenne er, dass es "gerade um die Verteidigung der Gesellschaft" gegangen sei.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, nahm Thierse ebenfalls in Schutz. Sie verwies auf ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995, wonach eine friedliche Sitzblockade keine Nötigung, sondern eine legitime Form zivilen Ungehorsams sei.

(DDP/AP/das/nbe)
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