Interview zur CSU-Krise "Union darf Konservative nicht heimatlos lassen"

Berlin (RP). CSU-Urgestein Carl-Dieter Spranger sprach mit unserer Redaktion über die Krise seiner Partei, den Fall von Edmund Stoiber und den zukünftigen Kurs der CSU.

Reaktionen auf den Stoiber-Rücktritt
Infos

Reaktionen auf den Stoiber-Rücktritt

Infos
Foto: ddp

Steckt die CSU in einer Krise?

Spranger Die CSU steht seit einiger Zeit personell und programmatisch in einer beträchtlichen Krise. Die letzten Wochen haben drastisch offengelegt, wie brüchig die bisherigen Machtstrukturen der CSU geworden waren.

Wie kann die Partei aus dieser Situation wieder herauskommen?

Spranger Das geht nicht ohne personelle und programmatische Erneuerung der CSU. Dabei sollte sie darauf verzichten, Populismus, die schreckliche Meinungsumfrageindustrie oder die Angst vor Medienkritik zum Maßstab zu machen. Sinnvoller wäre die Rückbesinnung auf die politischen Grundüberzeugungen ihrer Stammwähler und auf die Ursachen für die erfolgreiche Geschichte der CSU, wie sie auch mit den Namen Seidel, Goppel, Strauß und Waigel verbunden sind. Die CSU braucht außerdem eine Modernisierung ihrer bundespolitischen Ziele für das wiedervereinigte Deutschland, auch angesichts der Renaissance traditioneller Werte in unserer Gesellschaft. Als ständig gegen Berlin nörgelnde "Bayernpartei" hätte sie keine Zukunft, die ihrer großen Vergangenheit, ihrem bundespolitischen Anspruch und den politischen Herausforderungen von heute entspräche.

Worin sehen Sie die Ursache für den Niedergang des Ansehens Stoibers?

Spranger Das hat viele Ursachen, die sich in längeren Zeiträumen aufgebaut haben. Die knappe Niederlage bei der Bundestagswahl 2002 - als Ergebnis eines schwachen, ängstlichen Wahlkampfs trotz bester Ausgangslage; Rechthaberei und Überheblichkeit nach der Zwei-Drittel-Mehrheit der CSU in der Landtagswahl 2003; die Flucht aus der Verantwortung in Berlin 2005; das dauernde Hin und Her in seiner Politik aus Furcht vor Medien und Meinungsumfragen - und noch einiges mehr ist da zusammengekommen.

Wurde er von den Falschen beraten?

Spranger CSU-Führungskreise haben immer wieder beklagt, Edmund Stoiber sei ihrer Kritik, ihren Ratschlägen kaum noch zugänglich, aber beratungsabhängig von einer kleinen Gruppe in der Staatskanzlei. Doch: Warum wurde darüber nicht längst mal im CSU-Präsidium, im Landesvorstand so offen gesprochen, wie man es plötzlich jetzt während der Krise massenhaft getan hat? Friede, Freude, Eierkuchen - das kann doch nicht der Arbeitsstil der Führungsgremien sein. Weder Kraftmeierei noch Liebedienerei dürfen Zukunftsrezepte der neuen CSU-Führung sein.

Mit welchem Kurs kann die CSU ihre Stärke wieder festigen?

Spranger Die CSU muss mehr sein als eine gut funktionierende techno-bürokratische Polit-AG, die Meinungsumfragen und Medienapplaus zum Maßstab zeitgeistbestimmter Politproduktion macht. Sie muss auf der Grundlage fester politischer Werte und Prinzipien mit Weitsicht, Mut und Zuverlässigkeit Programm und Arbeit gestalten. Sie muss wieder eine Partei sein, die - wie Strauß in seinen Erinnerungen schreibt - christliche, konservative, liberale, nationale und antisozialistische Kräfte zusammenführt. Insbesondere muss sie die seit längerem in der Gesellschaft entstandene und wachsende Renaissance traditioneller Werte von Patriotismus und Nationalbewusstsein endlich aufgreifen, so wie es ja früher der Fall war. Tut sie es (wie leider auch die CDU) nicht, laufen beide Parteien Gefahr, angestammte Anhänger zu verprellen, die entweder in die Wahlenthaltung flüchten oder sich gar radikalen Parteien zuwenden. Da ist auch der Rückzug von Friedrich Merz ein sehr bedauerliches Zeichen der Resignation. Die Union darf Konservative in Deutschland nicht heimatlos werden lassen. Da gibt es gewaltige Reserven besonders bei den jetzigen Nichtwählern. Das linke Spektrum ist dagegen parteipolitisch schon überbesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort