Union und SPD Koalition einigt sich auf Erbschaftsteuerreform

Berlin · Firmenerben werden auch künftig großzügig steuerlich begünstigt, wenn sie das Unternehmen längere Zeit fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Von Juli an sollen aber schärfere Vorgaben für die Verschonung gelten - wie sie das Bundesverfassungsgericht vor eineinhalb Jahren gefordert hatte.

 Der Kompromiss soll vor allem mittelständische Unternehmen schützen.

Der Kompromiss soll vor allem mittelständische Unternehmen schützen.

Foto: dpa, jbu tmk fux

Nach langem Koalitionsstreit einigten sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie SPD-Chef Sigmar Gabriel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am Montag auf einen Kompromiss zur weiteren Begünstigung von geerbtem Betriebsvermögen. Die Wirtschaft kritisiert den Kompromiss. Für den "normalen" Erben und die für ihn geltenden Freibeträge ändert sich mit der Reform nichts.

Bisher müssen Unternehmensnachfolger generell kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigung halten. Die Verfassungsrichter hatten Ende 2014 eine Begünstigung generell für zulässig erklärt, aber strengere Vorgaben verlangt.

Die Erbschaftsteuer spült bisher nicht einmal sechs Milliarden Euro pro Jahr in die Länderkassen. Nach Gabriels Worten ist es der SPD gelungen, die Einnahmen im Vergleich zum ersten Gesetzentwurf um 35 Millionen Euro auf 235 Millionen Euro zu steigern. Die Erbschaftsteuer werde sozial gerechter, ohne die Fortführung von Unternehmen und Arbeitsplätze zu gefährden, sagte Gabriel.

Seehofer sieht Einigung als "vorläufig" an

Schäuble nannte die Einigung ausgewogen, denn sie bringe die Vorgaben des Gerichts, die Interessen der Unternehmen und der Länder in Einklang. Der Mittelstand könne weiter investieren und Arbeitsplätze sichern. Seehofer zeigte sich zufrieden - aber nur "für den Augenblick", wie er betonte. "Wir wollen eine Regionalisierung der Erbschafsteuer, weil uns viele Elemente eigentlich nicht hinreichend gefallen, die da in Berlin zusammen entschieden wurden."

Angestrebt wird, das Gesetz bis zur parlamentarischen Sommerpause am 8. Juli endgültig zu beschließen. Der Bundestag soll noch diese Woche entscheiden, der Bundesrat könnte am 8. Juli beraten. Offen ist, ob die Grünen im Bundesrat die Pläne mittragen. Sie könnten sie verzögern. Die Richter hatten bis Ende Juni eine neue Regelung gefordert.

Künftig sollen bei größeren Unternehmen Firmenerben nur verschont werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall greift eine vom Verfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung. Wer die Prüfung ablehnt und den Fiskus nicht in sein Privatvermögen blicken lassen will, kann ein "Abschlagsmodell" nutzen: Mit wachsendem Vermögen wird dann ein größerer Teil versteuert. Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern sind vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit.

Nach Darstellung der Stiftung Familienunternehmen wird sich für eine "große Anzahl von Familienunternehmen" die Erbschaftsteuer-Belastung deutlich erhöhen. Bei nicht wenigen großen Unternehmen drohe eine so starke Erhöhung, "dass dies die Tendenz und Überlegungen der Familienunternehmen zu Abwanderung und zu Verkauf befördern wird". Aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bezahlen die Unternehmen "Rechtssicherheit mit höheren Belastungen". Auch der Industrieverband BDI befürchtet Mehrbelastungen.

Opposition unzufrieden

Nach Meinung von Grünen-Chefin Simone Peter verpasst die Koalition die Chance, eine gerechte, verfassungskonforme Erbschaftsteuer auf den Weg zu bringen. 99 Prozent der Unternehmenserben blieben verschont. Nach den Worten von Richard Pitterle (Linke) bleibt die Koalition "Lordsiegelbewahrer der Unternehmensdynastien". FDP-Chef Christian Lindner sagte, ein niedrigerer Steuersatz ohne Ausnahmen und Bürokratie wäre das gerechtere und klügere Modell gewesen.

(felt/dpa/afp/tak)
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