75 Politiker treffen sich in CDU-Zentrale Union und SPD starten heute ihre Koalitionsverhandlungen

Berlin · Union und SPD beginnen an diesem Mittwoch ihre mehrwöchigen Verhandlungen über eine große Koalition. Zum Auftakt wird sich die 75 Personen umfassende Hauptrunde in der CDU-Zentrale treffen. Zunächst geht es um den Zeitplan und die Organisation der Koalitionsverhandlungen.

Neben dieser großen Runde gibt es zwölf Arbeitsgruppen mit jeweils 17 Personen und vier Untergruppen. Die Koordination soll eine Steuerungsgruppe um die drei Generalsekretäre übernehmen. Sollten die Verhandlungen ins Stocken geraten, dürften die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) unter sechs Augen versuchen, die Probleme zu klären.

Angestrebt wird ein Koalitionsvertrag bis spätestens Ende November, bevor in einem etwa zwei Wochen dauernden Verfahren die rund 470.000 SPD-Mitglieder per Briefwahl über die große Koalition abstimmen sollen. Erklärtes Ziel ist es, dass die neue Bundesregierung vor Weihnachten vereidigt ist. Wichtigste Bedingung für die SPD ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro deutschlandweit. Die Union findet diese Untergrenze zu hoch für den Osten und befürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen.

SPD: Brauchen den Mindestlohn

SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstrich die Position seiner Partei in den "Stuttgarter Nachrichten". "Im Koalitionsvertrag wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro stehen, weil das Hotelzimmer auf Rügen genauso viel kostet wie das in Eckernförde und es nicht einzusehen ist, dass das Hotelpersonal unterschiedlich bezahlt wird", sagte er. Es gebe keinen Grund, "unterschiedliche Löhne zwischen Ost und West festzusetzen, denn die Arbeitsleistung ist ja auch gleich".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte Union und SPD auf, in den ersten 100 Tagen Regierungszeit einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro einzuführen. "Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie eine neue Ordnung der Arbeit durchsetzt", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der "Welt". Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, sagte den "Ruhr Nachrichten": "Wir brauchen einen Mindestlohn, denn mit Hungerlöhnen erwirbt man keine ausreichenden Rentenansprüche."

Die Familienunternehmen warnten hingegen vor einem einheitlichen Mindestlohn. "Natürlich sagt jeder Bürger, man solle von seinem Geld auch leben können - aber differenziert nach Branchen und Regionen", sagte Verbandspräsident Lutz Goebel der Deutschen Presse-Agentur.

DGB und Deutsche Rentenversicherung (DRV) warnten die künftigen Koalitionäre in der "Süddeutschen Zeitung" davor, für eine bessere Mütterrente in die Rentenkasse zu greifen. Sonst müsse der Rentenbeitrag bald wieder steigen. Stattdessen solle die neue Koalition eine Ausweitung der Kindererziehungszeiten aus Steuermitteln finanzieren, sagten ein Sprecher der DRV und DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dem Blatt.

Die Besetzung der Arbeitsgruppen

Die Mannschaften für die Koalitionsverhandlungen stehen: Zwölf Arbeitsgruppen, eine große Verhandlungsrunde mit Fach- und Ländervertretern und eine kleine Verhandlungsrunde der Parteispitzen sowie eine Steuerungsgruppe für die Organisation sollen das Regierungsprogramm aushandeln.

Die Schlusssitzung der künftigen Koalitionäre ist für den 26. November in der CDU-Parteizentrale geplant, wie aus einem internen Papier der Union hervorgeht. In den zwölf Arbeitsgruppen werden jeweils sieben CDU-, drei CSU- und sechs SPD-Politiker sitzen. Jeweils ein Politiker der Union und einer der SPD wird die Gruppe leiten. Aus ihrem Kreis wird nach den Gesetzen bisheriger Koalitionsverhandlungen auch ein Großteil der künftigen Minister kommen.

Für die Außen- und Verteidigungspolitik sind die Chefunterhändler Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Die dazugehörige Untergruppe Euro werden der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Herbert Reul, und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz leiten. Beim Thema Wirtschaft haben Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und der frühere SPD-Generalsekretär Hubertus Heil den Hut auf. Das Thema Energie verhandeln federführend Umweltminister Peter Altmaier und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Arbeit und Soziales macht bei der Union die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen. Ihr Gegenpart ist SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Familien- und Frauenpolitik nimmt für die CDU die Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz in die Hand, auf SPD-Seite wird dies Manuela Schwesig sein. Bei Gesundheit und Pflege sitzen sich zwei Fachmänner gegenüber: Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD). Verkehr und Infrastruktur verhandelt für die Union der zuständige Minister Peter Ramsauer, bei der SPD ist Florian Pronold zuständig. Auch bei der Bildung setzt die Union mit Johanna Wanka (CDU) auf ihre Ministerin, die SPD schickt die Bildungsministerin aus Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen. Beim Thema Innenpolitik verhandeln Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) und SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann (SPD) miteinander. Die Unterarbeitsgruppe Integration führten für die CDU Maria Böhmer und für die SPD Aydan Özoguz. Für Umwelt und Landwirtschaft sind Staatssekretärin Katherina Reiche (CDU) und die SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Vogt zuständig. Die Unterarbeitsgruppe Verbraucherschutz leiten für die Union Dorothee Bär (CSU) und für die SPD der Fachpolitiker Ulrich Kelber (SPD). Den Bereich Kultur übernehmen der CDU-Abgeordnete Michael Kretschmar und SPD-Vize-Chef Klaus Wowereit. Die dazugehörige Arbeitsgruppe Digitale Agenda leiten der Fachpolitiker Peter Tauber (CDU) und Ex-Justizministerin Brigitte Zypries (SPD).

(dpa/RP)
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