Bundeswehr-Skandal Unterschicht beim Bund?

Berlin (RP). Die Skandalfotos in Afghanistan werfen auch die Frage nach dem sozialen Hintergrund der Soldaten auf - woher kommen die jungen Menschen, die den Beruf des Militärs anstreben, und was macht die Bundeswehr daraus?

Manchmal dringen die Probleme von ganz unten bis ganz oben. Schon vor Jahren lag der prekäre Zustand in einigen Kasernen als Vorgang auf dem Ministerschreibtisch: Russlanddeutsche Wehrpflichtige stellten die Vorgesetzten vor kaum noch lösbare Aufgaben: fehlende Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse, ein "fremdes" Sozialverhalten zwangen die Truppe, die jungen Rekruten in viele Einheiten zu verteilen, um "Zusammenballungen" der Problemgruppe zu verhindern. Doch es sind nicht nur Russlanddeutsche, die den Ausbildern mitunter den Schweiß auf die Stirn treiben. Oberst Bernhard Gertz, Chef des Bundeswehrverbandes, sprach gestern von sich aus einen heiklen Punkt an: "Wir müssen genauer hinsehen auf die Menschen, die zu uns in die Armee kommen."

Wenn man schlecht bezahle, aber einen anstrengenden, gefährlichen und risikoreichen Beruf anbiete, bekomme man "am Personalmarkt auch nur die Qualität, die zu diesem niedrigen Preis verfügbar ist". Droht der Bundeswehr also eine "Unterschicht"-Debatte? Die heiß diskutierte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung sieht den Anteil des "Prekariats" in den westlichen Bundesländern bei vier, in den östlichen bei 20 Prozent. Aber: Die Bewerbungen für den Beruf Soldat kommen bei der Bundeswehr überwiegend aus dem Osten.

Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr beobachtet seit Jahren die Interessen in der Bevölkerung gegenüber dem Arbeitgeber Streitkräfte. Das Gefälle ist überdeutlich: Fast 40 Prozent der Haupt- und Realschüler können sich vorstellen, Soldat zu werden, aber nur 19 Prozent der Gymnasiasten. Die Bildungsschicht hat dabei auch starken Einfluss auf die hinter dem Berufswunsch "Soldat" stehende Motivation.

Je geringer die Bildung, desto höher rangiert die Bedeutung von sicherem Arbeitsplatz und Geldverdienen. Je höher die Bildung, desto mehr kommen Perspektiven des beruflichen Weiterkommens in Betracht. Das deutet darauf hin, dass die ohnehin höher Qualifizierten die hervorragenden Möglichkeiten der Bundeswehr zum Studium an den beiden Vorzeige-Universitäten und die mannigfachen Möglichkeiten zur Fachausbildung nutzen, während die geringer Qualifizierten sich besonders gerne für Auslandseinsätze freiwillig melden, da es dort auf den täglichen Wehrsold von acht bis elf Euro noch bis zu 92 Euro Auslandsverwendungszuschlag gibt - steuerfrei!

Kein Wunder, dass derzeit über 600 Wehrdienstleistende im Auslandseinsatz sind und über 450 Reservisten. Wer die Praxis erlebt, kommt mit Pauschalurteilen jedoch nicht weiter. Die Möglichkeiten sozialer Aufstiege scheinen bei der Bundeswehr immer wieder deutlich besser zu funktionieren als in der übrigen Gesellschaft. Wenn diese also ein "Unterschichten"-Problem hat, bekommt es die Bundeswehr durch ihre Verankerung in der Gesellschaft auch. Möglicherweise geht sie dann aber besser damit um.

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