Ursula von der Leyen besucht Israel Der Kampf einer Kronprinzessin

Tel Aviv · Die Pannen, Affären und Skandale im Verteidigungsministerium reißen nicht ab - und ziehen Ursula von der Leyen in den Strudel wachsender Unbeliebtheit - war's das schon mit dem Merkel-Erbe?

 Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sitzt in Tel Aviv während des Delegationsgesprächs gegenüber ihrem israelischen Amtskollegen Mosche Jaalon.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sitzt in Tel Aviv während des Delegationsgesprächs gegenüber ihrem israelischen Amtskollegen Mosche Jaalon.

Foto: dpa, mkx kno

Hoch interessiert folgt Ursula von der Leyen den Erläuterungen der israelischen Ärzten im Trauma-Zentrum, das auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse die posttraumatischen Belastungsstörungen israelischer Soldaten behandelt. Es sind Szenen wie diese, die bei Truppenbesuchen im In- und Ausland klar machen, wo die Ärztin von der Leyen in einer ursprünglich fremden Welt festen Boden unter den Füßen spürt. Bei Sanität und Truppenmedizin ist sie schnell zu Hause. Wie wohl hätte sie sich als Gesundheitsministerin in Merkels drittem Kabinett gefühlt! Aber nach dem Familien- und dem Arbeitsressort wehrte sich die Niedersächsin mit Händen und Füßen dagegen, ins Gesundheitsministerium "abgeschoben" zu werden. Sie strebte nach Höherem, nach Herausforderndem - und, voilà, jetzt steht sie mit einem Bein potenziell ständig im Schlamassel.

Ursula von der Leyen: Der Kampf einer Kronprinzessin
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Kaum hatte Merkel ihr die überraschende Offerte gemacht, Thomas de Maizière ihr zuliebe aus dem Verteidigungsministerium heraus zu schieben, begann sie da, wo alle Rekruten starten: Mit dem Pauken von Diensträngen, Truppengattungen, Waffensystemen. Aber schon mit ihrem ersten Aufschlag markierte sie ihren Anspruch: Sie will verändern statt verwalten. Die Bundeswehr müsse familienfreundlicher werden. Ihre Kita- und Teilzeitinitiative wurde von gestandenen Anhängern der Männerdomäne als Kuschelkonzept verlacht: Das zeige, dass die Dame keine Ahnung vom Militärischen habe.

Mühsam und hartnäckig machte sie Boden gut mit ihren Hinweisen, dass nach dem Wegfall der Wehrpflicht der qualifizierte Nachwuchs nur noch zu gewinnen sei, wenn die Rahmenbedingungen stimmten. Und sie ackerte weiter, arbeitete sich tief wie wenige Vorgänger in die Materie ein, schlief in einer kleinen Kammer neben ihrem Ministerschreibtisch und war somit morgens die Erste und abends die Letzte. Und auch beim Umtrunk immer fit. Mögen bei anderen zu später Stunde die Augen glasig und die Zungen schwer werden, sie rührt seit vielen Jahren keinen Tropfen Alkohol an.

Der eiserne Besen

Mit eisernem Besen fegte sie durch die verkrusteten Strukturen, akzeptierte keine einzige der großen Waffenbeschaffungen, feuerte den Rüstungsstaatssekretär mitsamt zugehörigem Abteilungsleiter und stellte die Dinge auf Anfang. Das war klug gedacht, hatte etwas mit Brandmauern zu tun und mit der Erwartung, dass alles, was schief läuft, von ihren Vorgängern zu verantworten sein würde und sie nur einfach keine neuen Fehler mehr machen dürfe.

Doch je länger sie im Amt ist, desto mehr Pannen, Affären und Skandale bleiben an ihr hängen. Schon bei den massenhaften Ausfällen der Waffensysteme im vergangenen Sommer war schwer zu vermitteln, dass dies die Auswirkungen von Fehlentscheidungen in der Vergangenheit seien: Wenn Flugzeuge nicht fliegen, Hubschrauber nicht starten und Panzer fehlen, stellt sich zu allererst die Frage nach der aktuellen Verantwortung.

Wie leicht die Verantwortung aus der Vergangenheit auch von der Leyen erfasst, erlebt sie nun beim Pannen-Sturmgewehr G36. Stets hatte das Verteidigungsministerium entschieden bestritten, dass es damit Präzisionsprobleme bei Hitze gebe, schließlich auf unzureichende Munition verwiesen, als sich das Phänomen nicht mehr abstreiten ließ. Die neue Ministerin war sich sicher, alles richtig gemacht zu haben, als sie neue Gutachten in Auftrag gab, nachdem sie gegensätzliche Behauptungen auf den Tisch bekam. Nur: Die vom Bundestag verlangte detaillierte Aufklärung förderte nun zu Tage, dass ein Dokument mit frühen Hinweisen auf die Pannen auch Unglaubliches enthielt: Nämlich den Versuch, schlechte Presse über das Gewehr mit Hilfe des Militärischen Abschirmdienstes zu unterbinden - und vor allem, dass diese Informationen in von der Leyens Büro schon im März vergangenen Jahres vorlagen. Sie tat nichts. Weil sie nichts davon erfuhr. Also klassisches Organisationsversagen - und das geht mit ihr nach Hause. Von Monat zu Monat wächst das Potenzial an Stoff für Zweifel. Ihr Lack kriegt Kratzer.

Zustimmung in der Bevölkerung sinkt

Die Folgen hatte sie nach ihrem ersten Amtsjahr bereits in den Umfragen wiedergefunden: Ein Absturz in der Beliebtheit: Nur jeder Vierte war noch mit ihrer Amtsführung zufrieden. Immer weniger wünschen, dass sie künftig "eine wichtige Rolle spielt", und bei der Bewertung ihrer Arbeit liegt sie weit hinter den großen Playern der Koalition, ja inzwischen sogar deutlich hinter ihrer Nachnachfolgerin Manuela Schwesig als Familienministerin.

Kaum verwunderlich, dass von der Leyen auf die Beliebtheit des Außenministers schielt. Gutes Auftreten in der Welt, Souveränität im Umgang mit der internationalen Politik, Abschreiten von Ehrenformationen. Das kann sie auch. Und so hat sie den seit langem geplanten Truppenbesuch in Israel um bemerkenswerte politische Termine ergänzt. Weltläufig erklärt sie dem israelischen Verteidigungsminister ("vielen Dank, Moshe!") Yaalon, dass sie auf der Grundlage unverbrüchlichen Eintretens für die Verteidigung Israels auch andere Ansichten entschieden vorbringt. Zum Beispiel Israels Proteste gegen das Atomabkommen mit dem Iran. Das diene Israels Sicherheit, beharrt sie.

Sogar Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will sich am Dienstag inmitten seiner komplizierten Regierungsbildung 45 Minuten Zeit für sie nehmen. Das ist außergewöhnlich, steht eine Verteidigungsministerin im Rang doch deutlich unter einem Regierungschef und Außenminister. Oft steckt die Erwartung des Gastgebers dahinter, es mit dem Besucher künftig noch in anderen Rollen zu tun zu bekommen. Da ist sie wieder, die Kronprinzessinnenperspektive.

Gute Nachrichten durch die Marine

Vielleicht möchte sie auch deshalb gleich nach der Landung mal wieder mit positiven Nachrichten verbunden werden. Hat doch auf ihre Initiative die Marine schneller als erwartet und perfekter als vermutet die ersten 419 Flüchtlinge vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet. "Unbegrenzt" will von der Leyen den Einsatz fortsetzen, und sie will die Bundeswehr zur Abwechslung mal für perfektes Funktionieren loben. Doch die erste Frage gilt nicht der Erfolgsmeldung sondern dem tödlichen Problem des A400M-Absturzes. Zwar war es keine deutsche, sondern eine spanische Test-Transportmaschine. Aber auch von der Leyens Transportfliegerkapazitäten stehen nach jahrelanger Verzögerung nun stark in Frage. Da ist er wieder, der Strudel, der schon so viele ihrer Vorgänger in den Abgrund gezogen hat.

Beruhigend könnte es sein, wenn die Fraktion hinter der Verteidigungsministerin stünde. Doch das Gegenteil ist der Fall, seit von der Leyen die Unionspolitiker in der Frage der Frauenquote erpresste. Ihr damaliges Durchsetzungsvermögen kann sich in schwierigen Zeiten bitter rächen, wenn zu viele noch eine Rechnung mit ihr offen haben. In der Vergangenheit war es von der Leyens großer Vorteil, zu den beliebtesten Politikern zu gehören, die die CDU in Umfragen mit nach oben ziehen. Derzeit scheint es in die andere Richtung zu gehen. Doch noch ist es viel zu früh, darüber den Stab zu brechen. Möglicherweise wird sie beim Militär noch mal richtig heimisch. Schließlich ist das Kämpfen auch ihr Metier.

(may-)
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