Affäre nicht beendet Von der Leyen: "G36 hat in der Bundeswehr keine Zukunft"

Berlin · Testergebnisse gab es zum Sturmgewehr G36 schon viele. Jetzt gibt es erstmals eine Art höchstrichterliches Urteil über die Waffe. Es lautet: untauglich. Und es stammt von der Verteidigungsministerin. Die Affäre ist für sie und ihren Vorgänger aber längst nicht beendet.

Ursula von der Leyen: "G36 hat in der Bundeswehr keine Zukunft"
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Verzögerung, Verschleppung, Vertuschung: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) musste sich in den vergangenen Tagen Vorwürfe anhören, die so gar nicht zu ihrem Selbstbild passen. Die CDU-Politikerin sieht sich als Macherin, Antreiberin - und jetzt, in der Affäre um Präzisionsprobleme beim Sturmgewehr G36, als Chefaufklärerin.

Ihre Strategie für die dreistündige Befragung im Verteidigungsausschuss des Bundestags am Mittwoch war deswegen auch nicht überraschend: Die Flucht nach vorne. Dafür reichte ihr ein einziger Satz: "Das G36 (hat), so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr."

Nur fünf Tage nach der Vorlage eines Expertengutachtens, dass dem Gewehr eine Trefferquote von nur noch sieben Prozent unter Extrembedingungen bescheinigte, hat sie damit Konsequenzen gezogen. Es ist zwar noch nicht klar, woher die neuen Gewehre kommen sollen, wie lange der Austausch dauern wird und wie genau er vollzogen werden soll. Es steht aber fest: Die Tage des bei vielen Soldaten bis heute beliebten G36 bei der Bundeswehr sind gezählt.

Jetzt bleibt nur noch zu klären: Warum hat das alles so lange gedauert? Wurden dadurch vielleicht sogar Soldaten im Einsatz gefährdet? Wer hat die lange Hängepartie zu verantworten? Und wie kann man verhindern, dass das wieder passiert? Von der Leyen selbst hat dafür zwei Kommissionen eingesetzt. Aber der Verteidigungsausschuss will mitmischen.

Die Präzisionsprobleme beim G36 waren mindestens seit 2010 bekannt. Damals soll es einen ersten Hinweis des Güteprüfdienstes der Bundeswehr gegeben haben. Im November 2011 begannen die jahrelangen Untersuchungen. Die Spitze des Ministeriums erfuhr spätestens im März 2012 von den Problemen.

Es passierte aber so gut wie nichts, weil die Prüfer zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen und die Verantwortlichen zu widersprüchlichen Bewertungen. Als von der Leyen im Dezember 2013 den Bendlerblock von ihrem Parteifreund Thomas de Maizière übernahm, galt das G36 im Haus als tadelloses Gewehr.

Für ungenaue Schüsse wurde die Munition verantwortlich gemacht. "Das Gewehr G36 war und ist ohne Mangel", heißt es in einem Bericht, den von der Leyen am 10. Februar 2014 auf den Tisch bekam.

Es kursierte Ende 2013 aber auch schon ein erster Entwurf eines Berichts des Bundesrechnungshofs zum G36, der zumindest in einer Fassung vom April heftige Kritik am Umgang mit dem G36 enthält. Von der Leyen ordnete das jetzt veröffentlichte Expertengutachten erst Anfang Juni an. Da gibt es also eine zeitliche Differenz, die noch untersucht werden wird.

Bei von der Leyens Vorgänger de Maiziére ist die Angriffsfläche für mögliche Versäumnisse allerdings ungleich größer. Er war im Amt, als die Hinweise auf die Präzisionsprobleme bekanntwurden. Damals wurde in Afghanistan noch gekämpft. Bis auf einige Hinweise an die Soldaten im Einsatz und den Austausch von Munition wurde aber nichts unternommen.

Im Gegenteil: De Maizières Pressestab wies kritische Berichterstattung über das G36 in aller Schärfe zurück. Noch am 20. September 2013, nur zwei Tage vor der Bundestagswahl, heißt es in einer Pressemitteilung zu einem G36-Bericht des "Spiegel": "Aufgrund der wiederholten Berichterstattung des SPIEGEL besteht Anlass für die Vermutung, dass eine Geschichte konstruiert wird, die zwei Effekte verfolgt. Erstens: Die Projektbeteiligten pauschal und öffentlich zu diskreditieren. Zweitens, und das ist unverantwortlich: Die Verunsicherung der Angehörigen und Freude der Soldatinnen."

Zu diesem Zeitpunkt hatte de Maizière gerade erst den Untersuchungsausschuss zur Skandal-Drohne "Euro Hawk" überstanden. Die Affäre kostete ihn fast den Job.

Gut möglich dass de Maizière jetzt wieder vor einen Untersuchungsausschuss muss. Die Opposition will sich aber noch Zeit lassen, und zunächst versuchen, im Verteidigungsausschuss die Aufklärung weiter voranzutreiben. "Ich erwarte eigentlich zehn, zwanzig Meter Akten in den nächsten Wochen", sagt der Linken-Politiker Jan van Aken.

(dpa)
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