Bundesverfassungsgericht Bemessung der Grundsteuer ist verfassungswidrig

Karlsruhe · Die Basis für die Berechnung der Grundsteuer in Deutschland ist verfassungswidrig und muss bis Ende 2019 neu geregelt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden. Nach Verabschiedung eines neuen Gesetzes soll eine Übergangsfrist bis Ende 2024 gelten.

 Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Archiv).

Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Archiv).

Foto: dpa, ude gfh

Die Basis für die Berechnung der Grundsteuer in Deutschland ist verfassungswidrig und muss bis Ende 2019 neu geregelt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden. Nach Verabschiedung eines neuen Gesetzes soll eine Übergangsfrist bis Ende 2024 gelten.

Die Karlsruher Richter hatten schon während der Verhandlung im Januar bemängelt, dass die Einheitswerte für Grundstücke und Häuser im Westen seit 1964 bestehen und seitdem nicht angepasst worden sind. In den neuen Ländern gelten die Einheitswerte sogar seit 1935.

Vertreter von Ländern und Finanzverwaltungen hatten für lange Übergangsfristen plädiert, da sie für eine Neubewertung der rund 35 Millionen Grundstücke Zeit brauchen. Die Gemeinden nehmen jährlich rund 14 Milliarden Euro mit der Grundsteuer ein. Die Abgabe trifft in Deutschland nicht nur Immobilienbesitzer, sondern über die Nebenkosten auch die Mieter. 2015 betrug die Grundsteuer für ein Grundstück mit Einfamilienhaus in größeren Städten knapp 600 Euro im Jahr.

Wird die Gesetzgebungsfrist eingehalten und müssen die bundesweit 35 Millionen bebauten und unbebauten Grundstücke dann in einem zeitraubenden Verfahren einzeln neu bewertet werden, dürfen die derzeitigen Einheitswerte ausnahmsweise bis längstens Ende 2024 angewandt werden. Vorgaben für eine Neuregelung machte das Gericht nicht.

Reform der Grundsteuer seit Langem geplant

Das Bundesverfassungsgericht entschied über drei Vorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden, die sich alle gegen die Besteuerung von Grundstücken auf Basis der Einheitswerte im Westen von 1964 richteten. Da dem Gericht nur Fälle aus den westlichen Bundesländern vorlagen, bezieht sich das Urteil formaljuristisch auch nur auf sie. In den neuen Bundesländern ist die Situation aber vergleichbar.

Das Bewertungsgesetz sieht vor, dass alle Grundstücke im Abstand von sechs Jahren neu bewertet werden sollen. Das sei seit der letzten Hauptfeststellung von 1964 aber nie geschehen, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof. Damit bleibe die gesamte Entwicklung des Immobilienmarktes in dieser Zeit außer Acht.

Die Grundsteuer ist zwar eine bundeseinheitliche Steuer. Allerdings ist es Sache der Länder, den sogenannten Einheitswert von Grundstücken zu bestimmen. Dieser Einheitswert besteht aus unterschiedlichen Faktoren wie etwa der Grundstücksart oder dem Alter eines darauf erbauten Hauses. Dieser Einheitswert wird dann mit einer Grundsteuermesszahl und mit dem von der Gemeinde festgesetzten Hebesatz von teils mehreren hundert Prozent multipliziert.

Eine Neuregelung der Grundsteuer ist seit Langem geplant, wurde vor der letzten Bundestagswahl jedoch nicht mehr beschlossen. Die große Koalition hat eine Reform vereinbart. Es gibt mehrere Modelle mit unterschiedlich großem Aufwand bei der Neufestsetzung. Eine Neuregelung könnte je nach Art von Grundstück und Immobilie zu deutlichen Veränderungen der Steuerlast führen. Insgesamt soll das Aufkommen den Plänen zufolge aber etwa gleich bleiben.

Az: 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12

(wer)
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