Zu wenig Nachwuchs bei vielen Organisationen Verbände: Ehrenamtler früher in Rente

Düsseldorf/Berlin · Die großen Hilfsorganisationen und der Reservistenverband fordern mehr Anreize für Freiwillige. Sie fürchten, nicht mehr ausreichend Freiwillige gewinnen zu können. Die Politik reagiert zurückhaltend.

 Mitglieder des Reservistenverbandes kümmern sich in Dormagen-Stürzelberg am Rhein um die Deichsicherung.

Mitglieder des Reservistenverbandes kümmern sich in Dormagen-Stürzelberg am Rhein um die Deichsicherung.

Foto: H. Michelis

Wer ehrenamtlichen Dienst für die Gemeinschaft leistet, soll um diese Zeit früher abschlagsfrei in Rente gehen können. Diese Forderung des Reservistenverbandes der Bundeswehr wird von großen Hilfsorganisationen unterstützt.

Hintergrund ist die Sorge, angesichts geburtenschwacher Jahrgänge und dem Wegfall der Wehrpflicht nicht mehr ausreichend Freiwillige für die Katastrophenhilfe gewinnen zu können. Traditionell besitzt Deutschland hier nur wenige hauptamtliche Einsatzkräfte. Dafür gibt es 1,7 Millionen Freiwillige im Bevölkerungsschutz.

"Wir denken an eine Anrechnung dieser Einsätze bei Studien- und Lehrzeiten. Noch attraktiver und für die Gesellschaft nicht so teuer ist es, dieses Engagement von der Lebensarbeitszeit abzuziehen", sagte Roderich Kiesewetter, der Präsident des Reservistenverbandes, im Gespräch mit unserer Zeitung. "Diese Aufwertung der Wehrübungen und THW- und Feuerwehrdienstleistungen wird verstärkt Menschen ins Ehrenamt bringen. Wir arbeiten an solchen Plänen." Es sei "eine feste Forderung des Reservistenverbandes in das Verteidigungsministerium und in den Bundestag hinein".

Das Technische Hilfswerk (THW), die Feuerwehren in NRW und das Deutsche Rote Kreuz begrüßen diese Absicht: "Anreize für ehrenamtliche Tätigkeit zu schaffen, ist wichtiger denn je zuvor. Eine finanzielle Besserstellung Ehrenamtlicher im Rentenalter kann dazu beitragen", sagte der Landesbeauftragte des THW in NRW, Ingo Schliwienski. Ehrenamtliches Engagement wird auch im THW großgeschrieben: 99 Prozent der THW-Angehörigen engagieren sich freiwillig - bundesweit rund 80.000 Helfer.

"Eine Anrechnung von Ehrenamtszeiten zum Beispiel bei der Rentenversicherung oder Beamtenversorgung müsste gerecht und dennoch unbürokratisch gestaltet werden. Grundsätzlich begrüßen wir jede Initiative, die auf Anerkennung, Förderung und Zukunftssicherung des Ehrenamtes gerichtet ist. Hier kann eine Anrechnung von Ehrenamtszeiten ein sinnvoller Baustein sein", betonte der Vorsitzende des Verbandes der Feuerwehren in NRW, Jan Heinisch.

Das Deutsche Rote Kreuz setze sich seit Langem für eine bessere Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement ein. "Ehrenamtliche übernehmen viele wichtige soziale Aufgaben. Das sollte auch wertgeschätzt werden", betonte Anja Martin, Sprecherin des DRK Nordrhein. "Beispielsweise durch die Anrechnung von Freiwilligendiensten auf Wartesemester an der Universität —oder durch die Anrechnung von Engagementzeiten als Ausbildungszeiten."

"Aufgabenfelder gibt es viele, zum Beispiel den Bereich der Pflege mit rund eineinhalb Millionen mehr Demenzkranken in den nächsten fünf Jahren und zwei Millionen mehr Menschen, die über 80 Jahre alt sind, um die man sich kümmern muss", erläuterte Kiesewetter. "Wir beabsichtigen deshalb, den Bundesfreiwilligendienst, zurzeit etwa 70.000 Stellen, und das freiwillige soziale Jahr, zurzeit etwa 40.000 Teilnehmer, deutlich auszuweiten. Wir wollen junge Leute in der halben Größenordnung eines Geburtsjahrgangs, also bis zu 300.000, dafür interessieren, einen solchen Dienst für die Gemeinschaft zu leisten."

Das sei im Gesundheits- und Pflegebereich, aber auch bei den Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk und bei der Bundeswehr denkbar. In der Politik ist man allerdings offensichtlich wenig begeistert, neben der umstrittenen Rente mit 63 noch ein ähnliches Thema anzupacken. Der Chef der Arbeitnehmer-Gruppe im Bundestag, Peter Weiß (CDU), äußerte sich zurückhaltend. "Ich verstehe solche Vorschläge", sagte er. "Wer so etwas vorschlägt, muss ein Finanzierungskonzept dazu liefern. Aus irgendeiner Quelle müssen die 3,6 Prozent Rentenabschlag, die pro Jahr früherem Renteneintritt eigentlich fällig werden, finanziert werden", betonte Weiß.

Der Sozialexperte wies zudem darauf hin, dass es für soziale Jahre bereits heute eine Anerkennung in der Rentenversicherung gebe und dass auch Beiträge der Arbeitgeber gezahlt würden. Ein zusätzlich früherer Renteneintritt wäre eine "doppelte Belohnung".

Ablehnung kam aus der SPD. "Das halte ich für unrealistisch", sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bundestag, Kerstin Griese (SPD). Dies passe nicht "zur Lebenssituation und zur Motivation junger Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, um sich zu orientieren und zu engagieren".

(RP)
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