Der Bund der Steuerzahler warnt "Vermögen der Deutschen ist in Gefahr"

Der Chef des Bundes der Steuerzahler warnt im Interview mit unserer Redaktion in der Euro-Krise vor zu wenig Wachsamkeit der Bürger.

 Reiner Holznagel sprach mit unserer Redaktion.

Reiner Holznagel sprach mit unserer Redaktion.

Foto: Tim Brakemeier

Was halten Sie von dem Länder-Plan eines Wachstumsfonds für strukturschwache Regionen, in den künftig die Soli-Einnahmen fließen sollen?

Holznagel Der Soli ist eine Ergänzungsabgabe, die spätestens 1995 mit der klaren politischen Ansage verknüpft wurde, den Aufbau Ost zu finanzieren. Die Aufbauleistung ist weitgehend vollzogen, sie endet planmäßig 2019. Auch deshalb brauchen wir diese Ergänzungsabgabe nicht mehr. Der Bund verbucht seit mehreren Jahren Rekordeinnahmen, und das wird auch so weitergehen. Die Steuerschätzer prognostizieren, dass die Steuereinnahmen gesamtstaatlich bis 2017 auf über 700 Milliarden Euro steigen werden. Insofern ist genügend Geld auch für nötige Investitionen im Westen Deutschlands da.

Frau Merkel ist da anderer Meinung: Sie will den Soli dauerhaft erhalten.

Holznagel Frau Merkel liegt falsch, wenn sie meint, der Soli sollte über 2019 hinaus bestehen. Sie erweckt den Eindruck, der Staat habe nicht genug Einnahmen. Das Problem sind aber die Ausgaben. Die laufen Frau Merkel davon. Sie selbst hat Wahlversprechen gemacht, die viele Milliarden Euro kosten werden. Wer jetzt wie Frau Merkel sagt, der Soli solle über 2019 hinaus bestehen bleiben, zeigt schlicht und einfach, dass er nicht sparen möchte.

Herr Schäuble sieht kein Sparpotenzial mehr. Widersprechen Sie ihm?

Holznagel Wir haben der Kanzlerin kürzlich ein 20 Milliarden Euro umfassendes Sparpaket vorgelegt. Es enthält etwa Einsparungen von sechs Milliarden Euro bei der Subventionsvergabe. Auch könnte der Bund weniger Eurofighter bestellen. Ebenso sollte das Elterngeld die Bedürftigkeit der Eltern berücksichtigen: Nicht alle besser verdienenden Mütter und Väter benötigen diese Staatssubvention. Mit unserer Liste machen wir konkrete Vorschläge, die natürlich unangenehm für die Politik sind. Dennoch muss gespart werden. Wegen der steigenden Steuereinnahmen ist der Konsolidierungsdruck für die Finanzminister weg. Nun machen alle Parteien riesige Ausgabenversprechen, die sie nicht komplett gegenfinanzieren können. Am Ende werden wieder Schulden gemacht und die Leidtragenden werden unsere Kinder sein.

Viele Städte sind heillos überschuldet. Wie wollen Sie denen helfen?

Holznagel Viele Kommunen haben kein Einnahmenproblem. Dennoch müssen auch sie ihre Ausgaben überprüfen: Nicht jede schlecht besuchte Bibliothek, nicht jedes wenig genutzte Schwimmbad muss erhalten bleiben. Es gibt zu viele zu üppige kommunale Bauvorhaben. Doch auch der Bund der Steuerzahler sieht erhebliche Finanzierungsprobleme gerade in schwächeren Kommunen. Wir müssen die kommunale Ebene finanziell besser ausstatten, ohne die Steuern zu erhöhen. Bund und Länder sollten etwa bei der Umsatzsteuer auf Anteile zugunsten der Kommunen verzichten. Alternativ sollten wir die Gewerbesteuer abschaffen und ein kommunales Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer einführen.

Was sind Ihre Befürchtungen in der Euro-Krise für die Steuerzahler?

Holznagel Die Deutschen stehen schon mit über 500 Milliarden Euro in der Verpflichtung für andere Euro-Länder, das ist fast das Doppelte eines Bundeshaushalts. Wir sprechen hier über Haftungssummen, die bereits jede Vorstellungskraft der Bürger sprengen. Daraus ist ein gefährlicher Fatalismus entstanden: Man nimmt fast schon desinteressiert zur Kenntnis, was Politiker an weiteren Rettungspaketen vereinbaren. Der Bürger ist nicht mehr wachsam genug. Hier geht es aber um Vorgänge, die uns in Zukunft komplett unserer finanzpolitischen Freiheit berauben werden. Und um enorme Vermögensverluste der Deutschen.

Kommt doch noch ein zweiter Schuldenschnitt für Griechenland?

Holznagel Nach einem Schuldenschnitt ist im Fall Griechenland vor dem nächsten Schuldenschnitt. Athens Verschuldung hat heute schon wieder den Stand vor dem ersten Schuldenschnitt erreicht. Ein neuer Schuldenschnitt träfe vor allem die deutschen Steuerzahler, weil mittlerweile Staaten und EZB die Gläubiger sind. Die finanziellen Probleme müssen die Griechen selbst lösen. Auch Deutschland hat nach der Wiedervereinigung enorm viel staatliches Personal abgebaut. Heute gibt es sogar weniger Bundesbedienstete als vor der Wiedervereinigung. Den Personalabbau müssen alle Länder durchmachen.

DAS INTERVIEW FÜHRTE B. MARSCHALL.

(mar)
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