Ronald Pofalla und die Bahn Viele Seitenwechsel sind umstritten

Berlin · Ronald Pofalla ist einer von vielen Politikern, die in die Wirtschaft gehen. Eckart von Klaeden arbeitet jetzt für Daimler. Matthias Wissmann gilt als erfolgreichster Lobbyist 2013. Und Birgit Fischer wechselte mehrfach den Arbeitgeber. Seitenwechsel dieser Art stoßen regelmäßig auf Kritik.

 Als Kanzleramtsminister war Ronald Pofalla einer der engsten Vertrauten der Kanzlerin.

Als Kanzleramtsminister war Ronald Pofalla einer der engsten Vertrauten der Kanzlerin.

Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Der Wechsel des früheren Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) in den Bahn-Vorstand fügt sich in eine langen Reihe. Gewiss darf es für Politiker kein Berufsverbot geben, zumal sie ihre Ämter meist nur auf Zeit haben. Doch ein Wechsel von der aktiven Politik in die Wirtschaft ist immer dann kritikwürdig, wenn sich eine Verbindung zwischen dem einstigen politischen Amt und dem neuen Arbeitsgebiet herstellen lässt. Besonders eklatant war das, als der für Telekommunikation zuständige EU-Kommissar Martin Bangemann (FDP) im Jahr 2000 bei einem spanischen Telefonkonzern anheuerte.

Problematische Verbindungen

Twitter-Reaktionen zum Bahn-Job von Ronald Pofalla
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Foto: dpa, Rainer Jensen

Auch bei Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) ergaben sich problematische Verbindungen. Gerade noch hatte sein Staatssekretär Müllers früherem Arbeitgeber Eon den Weg zur Übernahme der Ruhrgas per Ministererlaubnis frei geboxt, da wurde Müller 2003 Chef der Ruhrkohle AG.

Heftig fiel die Kritik selbst an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) aus. Wochen nach seinem Abtritt als Regierungschef ließ er noch dementieren, in die Dienste des russischen Staatskonzerns Gazprom zu wechseln. Das sei "infame Gerüchtemacherei". Doch wenig später war klar, dass der Altkanzler tatsächlich die Aufsicht über das Gazprom-Projekt Ostsee-Pipeline übernimmt. Pikant daran war, dass er sich schon als Kanzler dafür stark gemacht und dabei auch Konflikt mit den Nachbarländern riskiert hatte.

Ist es nun bei Ronald Pofalla ähnlich? Auch der ausgeschiedene Kanzleramts-Chef hatte mit der Bahn zu tun, doch eine mit Bangemann oder Schröder vergleichbare Intensität ist nicht sichtbar. Die zuletzt öffentlich gewordenen Verbindungen des CDU-Politikers zur Bahn sind gegenüber solchen Dimensionen eher heiterer Natur. So nahm er als örtlicher Bundestagsabgeordneter im Herbst die Bahnübergänge von Emmerich-Elten, Hüthum und Millingen öffentlich in Augenschein, um anschließend wegen umstrittener Ausbaupläne mit der Bahn Kontakt aufzunehmen.

"Markenzeichen der Bahn"

Als einer der Strippenzieher beim Entstehen des aktuellen Koalitionsvertrages segnete Pofalla eine Bahn-Passage ab, die nun direkt mit seinem künftigen Job zu tun hat. Originellerweise legte er auf diese Weise mit fest, weniger Geld zu verdienen, wenn er bestimmte Leistungen nicht erbringt. "Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit müssen Markenzeichen der Bahn sein", hält der Koalitionsvertrag auf Seite 42 fest. Dazu soll das Steuerungskonzept der Bahn AG unter Berücksichtigung des Aktienrechts überarbeitet werden. Und dann folgt unmissverständlich: "Vorstandsboni sollen an das Erreichen der genannten Ziele gebunden sein."

Gleichwohl: Die Regierungszentrale hat sich inzwischen zu einem Reservoir für Chef-Lobbyisten entwickelt. Der langjährigen Merkel-Vertrauten Hildegard Müller winkte nach ihrem 2005 bis 2008 währenden Engagement als Staatsministerin im Kanzleramt der Posten der Hauptgeschäftsführerin für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Damit ist sie die wichtigste Lobbyistin der Energiewirtschaft, wenngleich sie bei der Gestaltung der Energiewende nicht besonders viel für Eon, Stadtwerke und Co. erreichen konnte.

Das ist bei einem anderen Lobbyisten ganz anders. Matthias Wissmann (CDU) war im Kabinett von Helmut Kohl bis 1998 Verkehrsminister. Später wechselte er an die Spitze des Verbandes der Automobilmobil-Industrie. Im vergangenen Jahr leistete VDA-Chef Wissmann ganze Arbeit, als er die deutschen Premium-Hersteller vor besonders strengen Grenzwerten für den Kohlendioxid-Ausstoß bewahrte. In Briefen, die mit "liebe Angela" begannen, hatte er sich dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung in Brüssel massiv und erfolgreich gegen die ursprünglichen Pläne der EU-Kommission vorging.

Wenn das Geld lockt

Das große Geld der Autoindustrie lockte auch Eckart von Klaeden (CDU), der zunächst Hildegard Müller im Kanzleramt nachgefolgt war. Vor Monaten sorgte die Ankündigung für großen Wirbel, dass von Klaeden als Cheflobbyist zum Autokonzern Daimler geht.

An dieser Stelle ist der in Deutschland seltene Fall eines umgekehrten Wechsels zu besichtigen. Denn von Klaeden bekommt die Stelle, die vor ihm Martin Jäger bekleidet hatte. Der war zuvor Sprecher des Auswärtigen Amtes gewesen und ist nun wieder in den diplomatischen Dienst zurückgekehrt, und zwar an einen brisanten Brennpunkt: Seit dem Herbst ist er deutscher Botschafter in Afghanistan.

Als noch wendiger erwies sich Birgit Fischer. Bis 2005 war die SPD-Politikerin Gesundheitsministerin in der NRW-Landesregierung. Dann ging sie zur größten deutschen Krankenkasse, der Barmer. Dass sie dort gegen den Anstieg der Pharma-Ausgaben kämpfte, hinderte sie nicht, 2011 Chefin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA) zu werden. Hier ficht sie nun für besonders hohe Arzneipreise. So gute Kontakte zu allen Seiten und so viel Flexibilität lässt sich Fischer gewiss gut bezahlen.

(may-)
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