Interview mit Volker Bouffier "NRW kann nicht immer Geld ausgeben und dann um Hilfe rufen"

Köln · Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier stimmt seine Partei auf neue Koalitionen auch im Bund ein. Schwarz-Grün sei eine Option für 2017. Heftige Kritik übt er im Interview mit unserer Redaktion an der Finanzpolitik in NRW.

Volker Bouffier - der schwarze Sheriff
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Die Kanzlerin hat beim Parteitag ein Signal für Schwarz-Grün im Bund ab 2017 gesetzt. Ist das eine realistische Option?

Bouffier Die Kanzlerin hat die Grundvoraussetzung für 2017 deutlich gemacht: Die Union muss so stark sein, dass keine Koalition ohne uns gebildet werden kann. Schwarz-Grün ist eine Option für 2017. Ob sie Realität wird, hängt sehr davon ab, wie sich die Grünen entwickeln und auch wo die FDP landet. Wichtig ist für die Union, dass sie mit einem kleineren Koalitionspartner eine Alternative zur großen Koalition bekommt.

Welche Vorteile hätte Schwarz-Grün auf Bundesebene?

Bouffier Wir könnten in einer schwarz-grünen Regierung Ökonomie ud Ökologie nicht länger als Gegensätze behandeln, sondern sie in einer Regierung zusammenführen. Das ist nicht immer einfach, das sehen wir auch in Hessen. Aber es gelingt. Die Grünen werden entscheiden müssen, ob sie eine weitere linke Partei sein wollen neben SPD und Linkspartei oder ob sie eine Partei sein wollen, die in der Mitte steht.

Viele Delegierte haben die Rede Merkels beim Parteitag so verstanden, dass sie 2017 noch einmal antreten will. Sie auch?

Bouffier Aus meiner Sicht gibt es keinen Anlass, das anders zu verstehen.

Was soll aus dem Soli werden?

Bouffier Wir brauchen das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag, wenn Bund, Länder und Gemeinden auch weiterhin ihre Aufgaben angemessen erfüllen wollen. Ich kann nicht erkennen, wie wir künftig in der Lage sein sollten, 20 Milliarden Euro pro Jahr einzusparen.

Warum eigentlich nicht?

Bouffier Wir haben ein sehr hohes Anspruchsniveau in der Gesellschaft, insbesondere an Bereiche, in denen sehr viel Personal bezahlt werden muss, wie Schulen, Kitas und Krankenhäuser, bis hin zur Infrastruktur. Und wie haben wir früher das Problem gelöst, wenn wir nicht genung Geld hatten?

Steuern erhöht . . .

Bouffier Ja, und Schulden gemacht. Beides wollen wir nicht mehr. Nach 50 Jahren wollen wir endlich keine weiteren Schulden mehr machen. Daher ist es gerade aus Sicht der Länder notwendig, dass wir diese Einnahmen behalten.

Union und SPD sind sich ja einig, dass sie das Geld aus dem Soli behalten wollen. Nur über die Frage, in welcher Form der Soli erhalten bleiben soll, gibt es Streit. Was halten Sie von einer Integration in die Einkommensteuer?

Bouffier Eine Integration des Soli in die Einkommensteuer schafft auch neue Probleme. Man müsste auf jeden Fall den Einkommensteuertarif korrigieren, da untere und mittlere Einkommensgruppen sonst schlechter gestellt würden. Auch in der Kernfrage, wie wir ein intelligentes System finden, die die Unwucht bei den Bund-Länder-Finanzen beseitigt, treten wir aktuell auf der Stelle.

Wenn der Soli einfach so fortbesteht, sind die Probleme auch nicht gelöst. . .

Bouffier Wir können das System des Bund-Länder-Finanz-Ausgleich aber auch nicht einfach auflösen. Die neuen Länder haben eine Eigenfinanzierungsquote, die liegt bei 50 bis 60 Prozent. Auch im Westen haben wir mit dem Saarland, Bremen und Schleswig-Holstein Länder, die völlig ohne Hilfe nicht überleben können. Wir können aber auch nicht daran festhalten, dass Hessen, Bayern und Baden-Württemberg weiter die 13 anderen Länder finanzieren. Wir wollen eine Entlastung.

Zeichnet sich heute bei ihrem Treffen mit den anderen Ministerpräsidenten in Berlin eine Lösung ab?

Bouffier Wir sind uns einig, dass wir das Aufkommen aus dem Soli aufteilen müssen. Welchen Weg wir dabei gehen, wird sich erweisen. Wir sind uns auch schon einig, dass wir im Zuge der Bund-Länder-Finanzreform zahlreiche Probleme lösen wollen. Dazu gehört: Aufbau Ost, die Haushalte der Länder mit Notlagen, die überzogenen Anforderungen an die Geberländer, die Fortschreibung der Entflechtungsmittel. Ob wir in Berlin zu endgültigen Ergebnissen kommen, da bin ich sehr skeptisch. So weit sind wir nicht.

Wo hakt es besonders?

Bouffier Wir haben mit Nordrhein-Westfalen einen Patienten, der auf der Intensivstation liegt. Wenn die NRW-Ministerpräsidentin sagt, sie wolle weniger aus der Umsatzsteuer geben, dann muss sie eine Antwort geben, wie sonst der Aufbau der neuen Bundesländer finanziert werden soll. Wir anderen Länder zahlen das ja auch. NRW hat das Problem, dass man nicht ständig Geld ausgeben und dann um Hilfe rufen kann. Wir haben nicht den Eindruck, dass sich hier Mühe gegeben wird.

Beim Parteitag hat die CDU für Steuererleichterungen durch einen Abbau der kalten Progression noch in dieser Wahlperiode gestimmt. Das ist schon einmal am Bundesrat gescheitert. Warum sollte es dieses Mal klappen?

Bouffier Ich habe mit Interesse gelesen, dass der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende gesagt hat, er hoffe, dass die CDU eben dies beschließt. Wenn der SPD-Vorsitzende verkündet, dass die SPD beim Thema Abbau der kalten Progression steht, dann gehe ich davon aus, dass das auch der Fall ist. Dann müssen die Sozialdemokraten auch einen Weg finden, dass wir das erfolgreich gemeinsam umsetzen können.

Eva Quadbeck führte das Gespräch

(qua)
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