Kabinett beschließt Gesetzentwurf Die Vorratsdatenspeicherung ist zurück

Berlin · Seit Jahren schwelt in Deutschland der Streit über die Vorratsdatenspeicherung. Nun hat das Bundeskabinett eine Neuregelung beschlossen. Was aber unterscheidet sie von der alten Fassung, die das Bundesverfassungsgericht gekippt hat? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

 Zehn Wochen können Telekommunikationsdaten nach dem Gesetzentwurf gespeichert werden.

Zehn Wochen können Telekommunikationsdaten nach dem Gesetzentwurf gespeichert werden.

Foto: dpa, fru htf vfd

Unter Schwarz-Gelb gab es jahrelang keine Einigung, in der großen Koalition aber nun doch: Deutschland kehrt zurück zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Das Kabinett von Angela Merkel hat am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Dieser geht nun in den Bundestag.

Was sieht die Neuregelung genau vor?

Nach dem Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas sollen Telekommunikationsanbieter IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen maximal zehn Wochen aufbewahren. Das sind insbesondere die Telefonnummern der beteiligten Anschlüsse sowie Zeitpunkt und Dauer des Anrufs. Standortdaten von Handy-Gesprächen dürfen maximal vier Wochen lang gespeichert werden. Die relativ kurze Speicherfrist soll ausschließen, dass Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden. Das soll generell verboten werden. Die Speicherung erfolgt allerdings anlasslos. Ausgenommen sind dagegen Daten zum E-Mail-Verkehr, aufgerufene Internetseiten und auch Inhalte der Kommunikation.

Was ist der wesentliche Unterschied zur alten Regelung?

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Insbesondere die Dauer der Datenaufbewahrung. In der alten Fassung war eine Speicherung von sechs Monaten vorgesehen. Diese Regelung aber hielt das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und kippte die Regelung 2010. 2014 kippte dann auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) die EU-weiten Vorgaben.

Was hatte das Bundesverfassungsgericht an der Regelung kritisiert?

Das Kabinett Merkel im Check
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Für Karlsruhe waren die gespeicherten Daten nach der alten Regelung nicht sicher genug vor Missbrauch geschützt. Auch die Vorschriften zum Abruf der Daten waren den Richtern nicht präzise genug. Zudem wurde kritisiert, dass das Aushorchen von Berufsgeheimnisträgern nicht klar genug ausgeklammert worden sei. Ein weiterer Punkt: Eine derart umfangreiche Sammlung von Daten dürfe nicht anlasslos sein. Letzteres hat sich aber auch mit der neuen Regelung nicht geändert.

Wie werden denn nun Berufsgeheimnisträger geschützt?

Grundsätzlich nicht gespeichert werden die Daten von Mitarbeitern einer Behörde, einer kirchlichen oder sozialen Organisation, wenn sie anonym beraten. Denn hier gilt die Schweigepflicht. Nicht abgerufen werden dürfen zudem die Daten von allen anderen Berufsgeheimnisträgern, die sich laut Strafprozessordnung auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen dürfen. Dazu gehören Anwälte, Seelsorger, Journalisten, Ärzte oder auch Abgeordnete.

Wer verfügt über die Daten und wann haben die Behörden darauf Zugriff?

Grundsätzlich werden die Telekommunikationsdaten bei den Telekommunikationsanbietern gespeichert. Die Strafverfolgungsbehorden haben nur Zugriff darauf, wenn der Verdacht auf eine schwere Straftat besteht. Dazu zählen etwa Mord, Totschlag, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, sexueller Kindesmissbrauch, schwerer Raub, schwerer Bandendiebstahl, Drogenvergehen, Kriegsverbrechen und Menschenhandel. Allerdings muss dem ein Richter zustimmen, das nennt sich Richtervorbehalt. Das heißt, es ist auch ausgeschlossen, dass anstelle eines Richters ein Staatsanwalt die Datenabfrage erlaubt, wenn er Gefahr in Verzug sieht.

Welche Kritik gibt es am neuen Gesetzentwurf?

Die kommt unter anderem von der Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast. Sie bezeichnete die Neuregelung als verfassungswidrig. "Die Freiheit und die Persönlichkeitsentfaltung sind dahin, wenn der Mensch davon ausgehen muss, immer überwacht zu werden", sagte sie am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Auch der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte: "Eine anlasslose, alle Telefonkunden und Internetnutzer betreffende Vorratsdatenspeicherung halte ich für grundrechtlich nicht vertretbar."

Was sagt der Justizminister dazu?

Er verteidigt natürgemäß den Gesetzentwurf. "Die Speicherfristen sind weit kürzer, der Zugriff auf die Daten deutlich schwerer als zuvor", sagte Maas am Mittwoch. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit werde gewahrt, gerichtliche Vorgaben würden eingehalten. "Ich kann die Skepsis einiger Netzpolitiker durchaus nachvollziehen", räumte der SPD-Politiker ein. Maas betonte aber: "Was wir jetzt beschließen, ist nicht die alte Vorratsdatenspeicherung, wie sie sich viele Sicherheitspolitiker gewünscht haben." Herausgekommen sei ein vernünftiger Kompromiss.

Gab es gleich Einigkeit zwischen den Koalitionsparteien?

Nein. Die SPD hatte sich lange gegen eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung gewehrt, während die Union auf einen nationalen Alleingang drängte. Grundsätzlich hatten sich die Koalitionsparteien darauf verständigt, die Regelung hierzulande anhand der vagen EU-Vorgaben zu gestalten. So war sogar eine Speicherung von drei Monaten im Gespräch. Schwung in die Debatte kam durch die Anschläge auf die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" in Paris, unter deren Eindruck SPD-Chef Sigmar Gabriel schließlich einlenkte.

mit Agenturmaterial

(das)
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