Abgeordnetenhauswahl in Berlin "GroKo" abgewählt — CDU auf historischem Tief, AfD zweistellig

In Berlin setzt sich der Bundestrend fort: SPD und CDU müssen herbe Verluste hinnehmen. Die AfD kommt mit einem zweistelligen Ergebnis ins Parlament. Michael Müller hat in den nächsten Tagen viel zu tun.

 Prost! Michael Müller steht jetzt vor der Herausforderung eine neue Koalition zu bilden.

Prost! Michael Müller steht jetzt vor der Herausforderung eine neue Koalition zu bilden.

Foto: dpa, axs

Die große Koalition in Berlin aus SPD und CDU hat keine Mehrheit mehr. Beide Parteien mussten bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus erhebliche Verluste hinnehmen. Die CDU fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Berlin ein. Die SPD ist mit so wenigen Stimmen Wahlsieger geworden wie noch nie eine Partei zuvor. Die AfD schaffte wie schon in neun anderen Landesparlamenten aus dem Stand den Einzug ins Abgeordnetenhaus.

In Berlin stehen die Zeichen nun auf Rot-Rot-Grün. Die Linken konnten kräftig dazugewinnen, während die Grünen nach ihrem sehr guten Ergebnis von 2011 leichte Verluste hinnehmen mussten. Gut 20 Minuten nach Schließung der Wahllokale reklamierte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor seinen Anhängern den "Regierungsauftrag".

Grünen-Chefin Simone Peter forderte von Müller, er müsse Wort halten und ein rot-rot-grünes Bündnis realisieren. Bereits vor der Wahl hatte Müller ein Linksbündnis ins Spiel gebracht. Er könnte gemeinsam mit CDU und Grünen ein Mitte-Bündnis mit einer komfortablen Mehrheit schmieden. Allerdings gelten die Grünen in Berlin als weit links stehend. Ihr Verhältnis zur CDU ist schlecht.

"Das ist heute kein guter Tag für die Volksparteien"

Deren Spitzenkandidat Frank Henkel sieht durch das Berliner Wahlergebnis die Volksparteien insgesamt geschwächt. "Das ist heute kein guter Tag für die Volksparteien", sagte er eine knappe halbe Stunde nach der ersten Hochrechnung. Die Wähler hätten den Parteien der großen Koalition einen "deutlichen Denkzettel verpasst".

Mit dieser Wahl in Berlin setzt sich der Bundestrend fort, dass die sogenannte große Koalition immer seltener eine eigene Mehrheit erreicht. CDU-Generalsekretär Peter Tauber versuchte die Verantwortung für das Wahlergebnis von der Kanzlerin zu nehmen. Er gab der CSU und ihren Attacken gegen Merkel eine Mitschuld an dem schlechten Ergebnis für die CDU und verwies zugleich auf den landespolitisch geprägten Wahlkampf in Berlin.

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte verhalten: "Natürlich brauchen wir nicht in Jubel auszubrechen bei dem Ergebnis", sagte er und verwies darauf, dass die Volksparteien wieder Vertrauen bei den Wählern zurückgewinnen müssten.

Die Liberalen schafften wieder den Einzug ins Parlament. FDP-Chef Christian Lindner wertete dies als Vorboten für die NRW-Landtagswahlen im Mai und eine Rückkehr in den Bundestag bei den Wahlen im kommenden Herbst. Offen wirbt er um frustrierte CDU-Wähler. "Wirtschaft, Bildung und eine seriöse Gegenposition zur Flüchtlingspolitik von Frau Merkel werden auch unseren NRW-Wahlkampf bestimmen", sagte Lindner unserer Redaktion. Die AfD-Wähler hätten rechts gewählt, um in Berlin eine umso linkere Regierung zu bekommen. "Das ist hoffentlich ein Warnsignal an alle Wähler in NRW, die nur aus Protest die AfD erwägen."

Die Piratenpartei, die 2011 noch knapp neun Prozent erreichte, spielt keine Rolle mehr. AfD-Chef Jörg Meuthen geht davon aus, dass seine Partei nicht das Schicksal der Piraten ereilen wird. "Wir sind felsenfest überzeugt, dass wir nächstes Jahr mit einem zweistelligen Ergebnis in den Bundestag einziehen", sagte er.

Wahlbeteiligung bei 67,3 Prozent

In Berlin waren knapp 2,5 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen ihre Stimme abzugeben. Mit 67,3 Prozent lag die Wahlbeteiligung deutlich über der Wahl 2011, als nur 60,2 Prozent ihre Stimme abgaben. Bei der Wahl zeigte sich, dass die Verwaltung in Berlin dringend reformbedürftig ist. Die Bürger standen sogar bis zu einer Stunde Schlange vor den Wahllokalen, um ihre Stimme abzugeben.

Ein Linksbündnis in Berlin wäre nach Thüringen die zweite rot-rot-grüne Landesregierung in Deutschland und die fünfte Landesregierung, in der sich drei Parteien zusammenraufen müssen, um eine Mehrheit zu schmieden. Auch in Rheinland-Pfalz, in Sachsen-Anhalt und in Schleswig-Holstein regieren Dreier-Bündnisse.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vermied es, die Verluste der SPD in Berlin kritisch zu würdigen und hob hervor: "Michael Müller kann seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen und wird dafür sorgen, dass Berlin eine weltoffene und lebenswerte Stadt bleibt."

(qua)
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