Analyse Was die Bildungsmilliarden ändern

Berlin · Die große Koalition hat beschlossen, den Ländern zusätzlich sechs Milliarden Euro für Kitas, Schulen und Unis zur Verfügung zu stellen. Nun wird über die Ausgestaltung der Details gerungen. NRW soll mindestens 500 Millionen Euro erhalten.

 In vielen Bundesländern dürften vor allem die Hochschulen von den zusätzlichen Milliarden profitieren.

In vielen Bundesländern dürften vor allem die Hochschulen von den zusätzlichen Milliarden profitieren.

Foto: Oliver Berg

Die Einigung für eine bessere Bildung ist Bund und Ländern gelungen. Viele Fragen sind jedoch noch offen.

Wie viele neue Kita-Plätze werden in NRW entstehen?

Fest steht, dass die Gelder teilweise in den Kita-Ausbau und teilweise in eine Verbesserung der Qualität von Betreuungsangeboten gesteckt werden. Nach welchem Proporz die Mittel auf diese beiden Bereiche und auf die Bundesländer aufgeteilt werden, soll Thema bei einer Konferenz der Familienminister von Bund und Ländern zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr sein. Zu erwarten ist, dass ein Großteil in den Ausbau, also in Investitionen wie bauliche Maßnahmen, fließen wird. NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) sagte: "Im U3-Bereich wollen wir auf Ausbau und Qualität setzen."

Wird mit der Geldspritze für Kitas auch die Betreuungsqualität besser?

Weit oben auf dem Aufgabenzettel von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) steht eine Qualitätsoffensive für Kitas. Bei dem Treffen vor rund einer Woche mit ihren Amtskollegen aus den Ländern hatte Schwesig bereits angekündigt, dass sie sich für mehr gut ausgebildetes Personal in der Kindertagesbetreuung einsetzen will. Ob es am Ende aber zu bundeseinheitlichen Standards kommen wird und wie viel Geld dann tatsächlich in die Qualitätssicherung fließt, ist offen.

Wie viel Geld bekommt NRW insgesamt?

500 Millionen Euro werden es mindestens. Sicher ist, dass NRW durch den Wegfall der Ausgaben für die Studienförderung Bafög zusätzlich rund 280 Millionen Euro zur Verfügung haben wird. Im Kita-Bereich könnte es darauf hinauslaufen, dass das Land zwischen 200 und 300 Millionen Euro von der einen Milliarde erhält, die bundesweit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gibt es dauerhaft Geld für die Kitas: Ab 2017 sollen die Bundesländer jährlich um 100 Millionen Euro entlastet werden - dafür wird es eine Erhöhung der Beteiligung an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer zugunsten der Länder geben. Diese Regelung gilt über die Legislaturperiode hinaus.

Ist sichergestellt, dass die Länder freigewordene und zusätzliche Gelder tatsächlich in Bildung investieren?

Nein, wirklich sicher ist das nicht. Weil Bildung Ländersache ist, darf der Bund zunächst keine Vorschriften in dem Bereich machen. Allerdings haben sich die Länder zumindest freiwillig festgelegt, die angedachte Zweckbindung der Bildungsmilliarden einzuhalten. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte dazu: "Das Verhältnis von Bund und Ländern ist durch Vertrauen geprägt." Die Not im Bildungsbereich sei überall so groß, dass die Gelder dorthin fließen müssten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) blieb schmallippig. Er sagte bloß, dass ein Verstoß gegen die Abmachung "nicht justiziabel" sei.

Was ändert sich an den Hochschulen?

Es ist damit zu rechnen, dass in vielen Bundesländern vor allem die Hochschulen von den zusätzlichen Milliarden profitieren. Die Länder können die Mittel frei für Personal, Ausstattung und Projekte ausgeben. Die Unis bekommen zudem auch noch Geld aus dem Hochschulpakt. Der Bund stellt noch einmal 1,3 Milliarden Euro für die Schaffung zusätzlicher Studienplätze zur Verfügung. Jeder neue Studienplatz wird zur Hälfte vom Bund finanziert. Zudem werden auch die Unis von weiteren drei Milliarden Euro profitieren, die das Forschungsministerium in den nächsten drei Jahren zusätzlich an Forschungsgeldern vergibt. Diese Gelder werden für Forschungsprojekte und an die außeruniversitären Forschungsgesellschaften vergeben.

Was ist beim Bafög geplant?

Der Bund zahlt künftig das Bafög alleine. Studenten, die Bafög in Anspruch nehmen, müssen sich gedulden: Eine Bafög-Reform mit Erhöhung der Fördersätze und neuen Ansprüchen wird erst zum Wintersemester 2016/2017 starten. "Die Bafög-Reform muss ein großer Wurf werden. Die Erhöhung der Sätze muss für die Geförderten spürbar sein. Es kann nicht sein, dass es nur um den Gegenwert einer halben Pizza im Monat geht", mahnte SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte schon vor der Bundestagswahl einige Eckpunkte einer Bafög-Reform genannt. Sie will auch ein spezielles Bafög für ein Teilzeit-Studium von Eltern ermöglichen. Zudem sollen die Übergänge zwischen den Studienabschlüssen Bachelor und Master verbessert werden.

Wird auch Geld bei den Schulen landen?

Der Bund kann den Schulen nicht direkt Geld zuweisen. In dem Punkt ist das Grundgesetz streng: Es gibt bei der Bildungsfinanzierung ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern. Für den Bereich der Universitäten soll es aufgehoben werden. Die Schulen - inklusive ihrer Finanzierung - bleiben in der alleinigen Hoheit der Länder. Allerdings können die Länder durch die frei werdenden Milliarden, die sie bislang für das Bafög ausgeben mussten, auch ihren Schulen mehr Geld zuschanzen. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wollte gestern mit Verweis auf die gerade erst gefallene Entscheidung noch keine Ansprüche formulieren.

Wer hat mit wem um die Bildungsmilliarden verhandelt?

Schäuble und Scholz haben die Verhandlungen jeweils für Union und SPD geführt. Vehement wurde vor allem zwischen Bund und Ländern gestritten. Das sei ein "handfester Konflikt" gewesen, hieß es in Berlin. Ministerpräsidenten, Landesfinanzminister und Landesbildungsminister hatten mitunter entgegengesetzte Meinungen. Auch Bildungsministerin Wanka und Familienministerin Schwesig wollten ihre Interessen durchsetzen. Am Montagabend telefonierten schließlich Schäuble und Scholz mit den drei Parteispitzen der großen Koalition: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. Sie saßen im Kanzleramt zusammen. Um 22 Uhr stand der Beschluss.

(jd, qua)
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