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Chef der Bundeszentrale für politische Bildung Mit Youtube gegen Rechtsextremismus

Bonn · Nach der NPD-Entscheidung des Verfassungsgerichtes sieht der Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung, Thomas Krüger, mehr Aufgaben in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Dafür will er auch auf neue, kreative Formen setzen.

 Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.

Foto: bpb

Herr Krüger, was bedeutet das NPD-Urteil für die politische Arbeit in Deutschland?

Dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus keinesfalls von der Tagesordnung verschwindet. Das Bundesverfassungsgericht hat wertvolle Hinweise darauf geliefert, dass es bei einem NPD-Verbot nicht allein um die Gesinnung gehen kann sondern vor allem um die Frage, ob die NPD derzeit in der Lage ist, die Demokratie aus den Angeln zu heben. Wir wissen auch aus empirischen Untersuchungen: Das kann sie nicht.

Sieht das regional möglicherweise anders aus?

In der Tat gibt es ein deutliches Gefälle. Die NPD ist in den neuen Ländern deutlich stärker. Deshalb sagt das Verfassungsgericht: Wo es ein massives Problem mit der NPD gibt, sind zunächst die Polizei und das Strafrecht gefordert. Wir wissen ja, dass ein Parteienverbot nicht zur Ausrottung des Rechtsextremismus führt. Rechtsextreme Einstellungsmuster waren in Deutschland immer schon zu beobachten, und zwar nicht allein bei der NPD sondern bis weit hinein in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb bleibt das A und O der Auseinandersetzung die politische Bildungsarbeit, nicht das Instrument des Verbotes.

Sie kommen durch das Urteil noch stärker ins Boot?

Die Aufgaben politischer Bildung sind durch die Entscheidung geschärft worden. Die präventive Arbeit muss verstärkt werden. Deshalb dürfen wir in den Lehrplänen der Schulen eine Entwicklung nicht leichtfertig in Kauf nehmen, die zur mathematisch - naturwissenschaftlichen Dominanz im Fächerkanon führt — zu Lasten des Fächerkanons von Politik, Geschichte und Sozialkunde. Gerade vor dem geschichtlichen Hintergrund Deutschlands dürfen wir das nicht ausblenden. Es war prägend für die deutsche Nachkriegsordnung, kritisch mit der eigenen Vergangenheit umzugehen. Das ist Teil auch der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte dieses Landes. Das muss Grundlage bleiben.

Nun gibt es die politische Bildung schon lange. Brauchen Sie angesichts neuer Herausforderungen auch eine neue Erzählung über die Gefahren des Rechtsextremismus?

Wir brauchen kreative neue Vermittlungswege. Denn der Rechtsextremismus reproduziert sich auch über neue Erscheinungsformen. Rassismus, Ausgrenzung, Aggression gegen Geflüchtete zeigt sich an vielen Stellen. Dem müssen wir neue Bildungsformate entgegenstellen. Es geht um eine nachhaltige Reflektion, wie wir in unserer Gesellschaft zusammenleben wollen — auch und gerade in weltweiter wirtschaftlicher Vernetzung und globalen Wanderungsbewegungen.

Wie sehen solche neuen kreativen Formen konkret aus?

Die setzen bei der Frage an, welche Medien junge Leute nutzen. Diese gehen sehr stark in die sozialen Netzwerke und in die Online-Spiele. Da setzen wir an: Bei glaubwürdigen Multiplikatoren, also bekannten Youtubern oder Let's Playern. Diese Akteure können durchaus politische Fragen aufgreifen. Der Forscher Klaus Hurrelmann hat herausgearbeitet, dass junge Menschen selten so starke Akzeptanz für die Demokratie zeigten wie heute. Wir sollten also die Perspektiven der Demokratie für das eigene Leben der jungen Generation noch viel stärker kenntlich machen — mit Hilfe junger Akteure im Netz.

Sie sind also grundsätzlich hoffnungsvoll, gegen den Rechtsextremismus-Trend erfolgreich sein zu können?

Aus meiner Sicht haben wir es mit einer besonderen Herausforderung, aber auch mit einer besonderen Konjunktur der politischen Bildung zu tun. Das Glas ist nicht halb leer, es ist mindestens halb voll.

Wie groß ist die Verwechslungsgefahr, dass nun nicht nur die NPD erlaubt bleibt, sondern auch alles, was sie macht und sagt?

Das hat das Verfassungsgericht schon sehr klar gemacht. Danach ist die NPD nicht zu verharmlosen, sondern gefährlich. Sie verbreitet Rassismus und Hass, sie verübt gewalttätige Übergriffe. Und damit ist die NPD-Entscheidung dezidiert auch ein Appell an die Sicherheitsbehörden, klare Kante zu zeigen, wenn strafrechtlichen Grenzen überschritten werden. Und auch die Gesamtgesellschaft ist nun aufgerufen, klare Abgrenzungen zu formulieren. Wir alle müssen uns auf rote Linien für das verständigen, was wir in dieser Gesellschaft zulassen und was nicht.

Gregor Mayntz führte das Gespräch.

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