Mehr Geld für Frauen? Was Mütter-Arbeit wert ist

Düsseldorf · Der Streit um die Mütter-Rente wirft eine Grundsatz-Frage auf: Wie viel sind der Gesellschaft Erziehung und Hausarbeit wert? Und wie honoriert man das in einer Marktwirtschaft sinnvoll?

Rente mit 67 - die wichtigsten Fragen
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Die Zeiten klassischer Arbeitsteilung — der Mann verdient das Geld, die Frau versorgt die Kinder — sind lange vorbei. Heute verdienen immer mehr Frauen ihr Geld selbst, sie leiten Betriebe oder gar die Bundesregierung. Ein Problem ist geblieben: Frauen übernehmen weiter den größten Teil der unbezahlten Haus- und Erziehungsarbeit.

Nach einer Studie der Industrieländer-Organisation OECD von 2011 verbringt jeder Deutsche im Schnitt 3,6 Stunden am Tag mit unbezahlter Arbeit daheim — Männer deutlich weniger, Frauen deutlich mehr und "Nur"-Hausfrauen am meisten. Die meiste Zeit entfällt dabei auf Routine-Tätigkeiten.

Ohne diese Arbeit würde der Alltag nicht funktionieren, sie ist für die Gesellschaft wertvoll, auch wenn sie nicht bezahlt wird. Die OECD-Autoren schätzen, dass die Wirtschaftsleistung eines Landes um 30 bis 50 Prozent höher läge, wenn Haus- und Erziehungsarbeit entlohnt und damit Teil der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wäre.

Schon seit Langem gibt es Überlegungen, die Hausarbeit zu vergüten. Doch was ist der wahre Wert der Erziehungs- und Hausarbeit? Und wer soll die eigentlich bezahlen?

Anders als für die Arbeit von Bäckern, Krankenschwestern oder Rechtsanwälten gibt es für die von Hausfrauen keinen Markt, auf dem sich ein Marktpreis ermitteln ließe. Also hat man verschiedene Näherungsversuche unternommen: Noch zu D-Mark-Zeiten gründete sich eine Hausfrauen-Gewerkschaft und forderte einen Bruttolohn von 4500 Mark pro Monat für Hausfrauen. Dies entsprach dem Durchschnittsgehalt der Erwerbstätigen in Deutschland.

Christa Müller, Noch-Ehefrau von Oskar Lafontaine und familienpolitische Sprecherin der Linkspartei, verlangte im Jahr 2007 ein Erziehungsgehalt von 1600 Euro pro Monat in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes, vom vierten bis zum 18. Lebensjahr seien 500 Euro pro Monat angemessen — und zwar unabhängig davon, was die Frau gelernt hat.

Selbst der Bundesgerichtshof beschäftigte sich mit dem Wert von Hausarbeit — im Zusammenhang mit dem Scheidungsrecht. 2001 urteilten die Richter, dass Hausarbeit als "Wohlstand schaffende Erwerbsarbeit" zu sehen sei. Um deren Wert zu ermitteln, nutzten sie das ökonomische Konzept der Opportunitätskosten, die nach entgangenen Möglichkeiten fragen: Der Wert der Hausfrauen-Arbeit bemaß sich demzufolge danach, auf welches Gehalt die Frau verzichtet, die ihren Beruf zugunsten der Familie aufgibt. Somit stand der Ärztin, die im Rahmen der ehelichen Arbeitsteilung daheim blieb, nach der Scheidung mehr Unterhalt zu als der Verkäuferin.

Den Unterhalt für die "Nur"-Hausfrau nach einer Scheidung zahlt der Ehemann. Doch wer soll den Lohn für die Hausfrau zahlen? Und setzt man damit nicht gerade die falschen Signale? Anstatt den Anreiz für Frauen zu erhöhen, selbst berufstätig zu werden, macht man die Hausarbeit attraktiv. Diese Probleme ließen die Rufe nach einem Hausfrauen-Gehalt ebenso verstummen wie die politische Vereinnahmung der Forderung durch die rechtsextreme NPD.

Inzwischen wird anders diskutiert: Wie kann man die Arbeit der Mütter bei der Rente besser berücksichtigen? Das scheint sich leichter begründen zu lassen: Denn ohne Kinder, die noch immer zum größeren Teil von Müttern erzogen werden, funktioniert das umlagefinanzierte deutsche Rentensystem nicht.

Der Chef des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hatte wie üblich einen radikalen Vorschlag: 2005 forderte er die Einführung einer Kinderrente. Demnach sollte die volle Rente nur bekommen, wer drei Kinder hat. Nur so ließen sich ab 2030 noch die Renten finanzieren. Wer keine Kinder habe, ob gewollt oder ungewollt, müsse eben mehr sparen, so Sinn.

Andere Ökonomen und die Rentenversicherung schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. In der Tat: Solche Kinder- oder Mütter-Renten verletzen das Versicherungsprinzip, wonach die Höhe der Beiträge die Höhe der Renten bestimmt, wie der Sozialexperte Meinhard Miegel mahnte.

Zudem werden so nur die abhängig Beschäftigten für die Finanzierung der Familienförderung herangezogen, nicht aber Beamte und Selbstständige. Familienförderung ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss aus Steuermitteln bezahlt werden.

Am Ende fand man einen zweifelhaften Kompromiss: Die Rentenkasse bekommt seitdem einen Steuerzuschuss. Weil der aber nicht zu hoch sein soll, zahlt man unterschiedlich viel: Mütter, die ihre Kinder nach 1992 zur Welt gebracht haben, erhalten pro Kind drei Erziehungsjahre gutgeschrieben.

Ihre spätere Rente erhöht sich so pro Kind und Monat um 82,50 Euro. Für ältere Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, wirkt sich jedes Kind nur mit einem monatlichen Plus von 27,50 Euro aus. Um die Beseitigung dieser Ungleichbehandlung dreht sich die aktuelle Debatte. Befürworter der Mütter-Rente wollen, dass nun auch ältere Frauen mehr Erziehungsjahre gutgeschrieben werden.

Das kostet: Schon jetzt zahlt der Staat aus Steuermitteln jährlich zwölf Milliarden Euro an die Rentenkasse als Ausgleich für die Anerkennung von Erziehungszeiten. Eine Ausweitung der Regelung auf ältere Mütter würde nach Expertenschätzungen bis zu sieben Milliarden Euro zusätzlich kosten.

(RP/csi/das)
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