Nach der Klausurtagung Was nun, SPD?

Meinung | Berlin · Die SPD-Spitze hat sich bis auf Vize Ralf Stegner bei ihrer Klausurtagung für Waffenlieferungen in den Irak ausgespoochen. Daneben geht es aber vor allem um die nächsten Projekte der Koalition - und um einen stärkeren Mitte-Kurs. Dazu ein Kommentar.

 SPD-Chef Sigmar Gabriel gibt nach der Klausurtagung der SPD in Berlin eine Pressekonferenz.

SPD-Chef Sigmar Gabriel gibt nach der Klausurtagung der SPD in Berlin eine Pressekonferenz.

Foto: dpa, pil tmk

Die SPD ist mit Volldampf in die große Koalition gestartet. Sie hat die Rente mit 63 durchgebracht und den Mindestlohn zum 1. Januar 2015 festgezurrt. Trotzdem gewinnt die SPD in Umfragen bislang nicht hinzu, ihre Umfragewerte dümpeln um das Bundestagswahlergebnis von etwa 25 Prozent herum.

Die Union dagegen mit ihrer populären Kanzlerin hat es sich in den Umfragen oberhalb von 40 Prozent eingerichtet. Der SPD-Vorsitzende mahnt seine Parteifreunde, deshalb nicht nervös zu werden und den bisherigen Kurs als Aktivposten innerhalb der großen Koalition beizubehalten.

Das allerdings wird der SPD künftig deutlich schwerer fallen als zu Beginn der Legislaturperiode. In der Union gibt es eine wachsende Unzufriedenheit, die sich aus dem Gefühl speist, bisher in der Koalition zu wenig vorgekommen zu sein.

Die Kanzlerin wird auf diese Unzufriedenheit in ihren eigenen Reihen eingehen müssen. SPD-Themen wie etwa die Mietpreisbremse, die Frauenquote oder Verbesserungen für Leiharbeitnehmer (die Verschlechterungen für Arbeitgeber bedeuten) werden bereits auf die lange Bank geschoben. Sie stehen zwar im Koalitionsvertrag, so dass die SPD darauf pochen kann und Merkel sie letztlich auch nicht verhindern wird.

Allerdings wird die Kanzlerin ihrer Fraktion jetzt ausreichend Gelegenheit geben, Mietpreisbremse, Frauenquote und Leiharbeitsgesetz abzuschleifen. Bei der Mietpreisbremse, die nur noch für Bestandsbauten und nicht für bis zu zehn Jahre alte Neubauten gelten soll, ist das auch bereits geschehen.

Dem SPD-Vorsitzenden spielt diese Entwicklung — paradoxerweise — in die Hände: Denn Gabriel will seine Partei unbedingt mit mehr Wirtschaftskompetenz ausstatten - und Mietpreisbremse wie Frauenquote gelten nun nicht gerade als Inbegriff eines wirtschaftskompetenten Konzeptes.

Die Mietpreisbremse wird aus wirtschaftsliberaler Sicht ein unzulässiger staatlicher Eingriff in den Wohnungsmarkt gesehen, der die Ursachen starker Mietpreissteigerungen sogar noch verschärft. Denn Investoren dürften abgeschreckt werden neue Wohnungen zu bauen, weil sie befürchten müssen, dass ihnen Behörden in die Mietpreiskalkulation hineinreden.

Mehr Wirtschaftskompetenz, mehr Liberalismus, mehr Mitte — das war seinerzeit auch das Erfolgsrezept von Gerhard Schröder, mit dem er 1998 die Bundestagswahl gewann. Gabriels Diagnose ist sicher richtig: Nur wenn mehr Wähler der SPD wieder zutrauen, das Land auch wirtschaftlich vorne zu halten, werden auch wieder mehr Bürger die SPD wählen.

Doch aus Sigmar Gabriel wird nicht schwuppdiwupp ein Gerhard Schröder, zumal es ja gerade Gabriel war, der seine Partei nach links rückte, indem er Schröders Reformagenda 2010 in wichtigen Teilen infrage stellte.

Das Thema, mit dem Gabriel Wirtschaftskompetenz erobern will, heißt bislang kalte Progression: Er will Steuererleichterungen ermöglichen, ohne an anderer Stelle höhere Steuern zu verlangen. In seiner Partei hat Gabriel für diesen Kurs bisher gar keine Mehrheit, die SPD will nämlich eigentlich Steuererhöhungen und keine -erleichterungen.

Das Thema kalte Progression beanspruchen zudem andere für sich, zum Beispiel die Union. Es dürfte am Ende auch mit ihr wieder nach Hause gehen, wenn es denn jemals umgesetzt wird. Noch bleibt es also ein Rätsel, wie aus dem SPD-Vorsitzenden Gabriel ein SPD-Kanzler Gabriel wird.

(mar )
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