NRW wählt am 13. Mai Wer sind die vier Chef-Piraten?

Die Piraten haben Blut geleckt. Nach dem Erfolg im Saarland rechnen sich auch die Kollegen aus NRW einiges aus. Das Wahlkampfteam steht bereits. Vier Kandidaten besetzen die Spitzenplätze der Landesliste: Ein Biophysiker und ein Feuerwehrmann aus Neuss, ein Softwareentwickler aus Weeze und ein Schriftsetzer aus Düsseldorf. Noch ist nicht ganz klar, wofür sie stehen.

Piraten stellen sich für NRW-Wahl auf
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Seit dem Erfolg im Saarland sind die Piraten eine ernstgenommene Größe in der Politik. Kein Sonderfall einer durchgedrehten Metropole, sondern auch in einem ländlichen Raum durchsetzungsfähig — das war die Lehre vom Sonntag. Und mehr noch: Mit dieser sechsten Partei im Orbit gerät das Parteiengefüge kräftig durcheinander. Einer aktuellen Umfrage nach würde es bundesweit weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün reichen. Die Piraten und die Linke rauben den Koalitionen die für eine absolute Mehrheit nötigen Stimmen.

Auch in NRW rechnen sich die Piraten einiges aus. Die Umfragewerte sprechen seit Monaten stabil dafür, dass sie am 13. Mai in den Landtag in Düsseldorf einziehen werden. Zwischen fünf sieben Prozent sprechen ihnen die Demoskopen zu. Und das noch vor dem Erfolg aus dem Saarland.

Eine Jasmin sucht man in NRW vergebens

Dort hatten die Polit-Newcomer mit der 22-jährigen Jasmin Maurer ein attraktives Aushängeschild. Sie zählt zu den nur wenigen Frauen in den Reihen der Piraten. Die NRW-Piraten entsprechen da vergleichsweise mehr dem Durchschnitt der Partei. Sie sind männlich und auch schon etwas älter als die junge Auszubildende, die jetzt als Abgeordnete in den Saarbrücker Landtag einzieht.

Die vier NRW-Kandidaten im Überblick

Joachim Paul, 54, Biophysiker aus Neuss Dass er auf dem Landesparteitag in Münster zur Nummer eins der Landesliste gewählt wurde, empfand der Neu-Politiker als Überraschung. Der Neusser steht nun erstmal in Verhandlungen mit seinem Chef, um sich ein wenig Freizeit für den anstrengenden Wahlkampf zu erbitten.

Als sein Steckenpferd betrachtet Paul die Bildungspolitik. Seine Partei setzt sich bislang für ein eingliedriges Schulsystem ein. Im Gespräch ist unter anderem eine "flüssige Schullaufbahn", mit der es möglich werden soll, einzelne Fächer zu wiederholen. Das Sitzenbleiben will Paul abschaffen. Dabei zeigt er sich offen, in einzelnen Fragen auch konstruktiv und lösungsorientiert mit anderen Parteien zusammenzuarbeiten. Die Sekundarschule hält er zum Beispiel für eine vernünftige Idee.

Mit den Themen wie Haushalts- und Finanzpolitik muss er sich nach eigener Aussage aber erstmal vertraut machen, wie er freimütig nach seiner Wahl am Samstag erzählt. Entsprechend konturlos bleiben seine Aussagen. Der Mittelstand soll gestärkt, die Zwangsmitgliedschaft von Unternehmen in den Kammern abgeschafft werden, wie er dem Handelsblatt sagte. "Wir werden da noch viel lernen müssen, damit wir nicht alle veräppelt werden", sagte Paul dem Blatt mit Blick auf die Finanzkrise. Dennoch hat er große Ambitionen. "Irgendwann werden die Piraten in NRW mitregieren", zeigt sich Paul überzeugt.

Lukas Lamla, 29, Feuerwehrmann aus Neuss Lamla ist im Vergleich zu vielen anderen Piraten schon ein alter Hase. Im Wikipedia der Piraten ist er mit einem "Zensursula"-T-Shirt zu sehen, einem Slogan aus dem Jahr 2009. In der Debatte ging es um Sperren im Internet, die Ministerin Ursula von der Leyen ausgelöst hatte und sich dadurch den Spitznamen einhandelte.

Als Grund für die Kandidatur gibt er an, ein Teamplayer zu sein und außerdem "empathisch, pragmatisch, kreativ". Persönliche politische Ziele stelle er hinten an, er wolle vielmehr mit seinen Fähigkeiten den Piraten helfen, in den Landtag zu kommen.

Bereits vor zwei Jahren kandidierte Lamlas bei der NRW-Wahl, damals noch auf Listenplatz acht. Lamla soll landesweit den Wahlkampf koordinieren. Die Piraten bewertet er als eine basisdemokratische Partei, in der jeder mitgestalten kann. Lamla fand 2008 aus einem Gefühl der Ohnmacht zu den Piraten. Damals habe er sich mit einem kleinen Klapptisch von ebay in die Einkaufstraße gestellt und Unterschriften für die Europawahl 2009 gesammelt.

Marc Olejak, 40 Jahre, Schriftsetzer aus Düsseldorf Eigentlich ist Olejak in seine Partei besser unter seinem Nickname "Grumpy old Man" bekannt. Die linksalternative "taz" wusste vom Landesparteitag ferner zu berichten, dass ihn seine Fans mit Slogans wie "Ausziehen" oder "Ich will ein Kind von Dir" begrüßen. Er selber wolle "dahin, wo es wirklich wehtut", habe Grumpy daraufhin entgegnet— "in die Innenpolitik."

Olejak ist bei den Piraten in Düsseldorf aktiv. Auf seiner Info-Seite im Piraten-Wiki zeigt er sich leger mit Halskettchen, Bart, längerem Haar und Jackett. In seiner Heimat gehört er unter anderem den Gruppen Düssel-Piraten an, zudem scheint er eine Vorliebe für Star Wars zu teilen. Das zumindest legen seine Mitgliedschaften bei den Gruppen "Han Solo" und "Crew Bacca" nahe. Dort wird in der Runde regelmäßig über Inhalte und Neuigkeiten aus der Welt der Piraten beraten.

Politisch ist Olejak nur schwer einzuordnen. Auf einem Spektrum verortet er sich als links und libertär. Freiheit und Liberalität sind ihm demnach wichtig. Er selbst beschreibt sich als "analoge und digitale Allzweckwaffe" und "ordinären Straßenpiraten." Zudem darf Olejak, seit 2009 bei den Piraten, nach dem, was man im Wiki der Piraten über ihn erfährt, als waschechter Internet-Aktivist gelten. Kritik an der Verwendung von Pseudonymen im Netz ist ihm ein Greuel, bei Twitter hat er sich abgemeldet, weil er freie Software bevorzugt. Bei politischen Inhalten bleibt Olejak vage. Derzeit sei er in der Kampagnen-Planung festgetackert.

Michele Marsching, 33, Softwareentwickler aus Weeze Eigentlich war er Favorit auf den ersten Platz auf der Landesliste. Dass es dafür nicht reichen würde, hat er wohl geahnt. "Bei den Piraten weiß man ja nie", sagte er unserer Redaktion einige Tage vor der Abstimmung im Interview. Im Februar 2011 wurde Marsching noch mit großem Vorsprung zum Landesvorsitzenden gewählt.

Der 33-Jährige wohnt am Niederrhein in Weeze und ist in der IT-Branche als Selbstständiger unterwegs. In seinem Blog ist immer zu erfahren, wie stark sich bei ihm politisches Engagement, Beruf und Privatleben vermischen. Bei Interview-Anfragen erwischt man ihn schon mal beim Essen mit seinem kleinen Sohn, manchmal äußert er sich auch auf Spaziergängen mit Kind und Hund.

Derzeit hat er allerdings Lehrgeld zu zahlen. In einem Interview hatte er sich ungeschickt zur Diäten-Erhöhung in NRW geäußert und sie scheinbar gutgeheißen. Anschließend wurde er Ziel eines Shitstorms und als "geldgeiles Arschloch" beschimpft. Marsching hat daraus bereits seine Lehren gezogen. Interviews auf der Hunderunde will er nur noch geben, wenn er keinen Terminstress im Nacken hat, bei Aussagen, die sich auf sein "Gefühl” verlassen, werde er noch vorsichtiger agieren.

Marsching ist verheiratet und gehört zu den ersten Mitgliedern der Piraten im Kreis Kleve. Die Gruppe existiert dort erst seit September 2009. Seitdem hat er sich nicht nur mit der programmatischen Selbstfindung der Piraten befasst, sondern bewusst auch lokalen Themen. "Wir sprechen über das Verkehrskonzept im Kreis Kleve, über die Auskiesung und erst kürzlich haben wir uns über die Betuwe (Schienenverbindung von Oberhausen nach Holland, die Redaktion) ausgetauscht", fasste Marsching einmal eine Diskussionsrunde zusammen. Als Auslöser seines politischen Engagements nennt Marsching auch die Debatte um "Zensursula."

(pst)
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