Streit um Afghanistan-Einsatz Westerwelle nimmt Käßmann in Schutz

Berlin (RPO). EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann erhält im Streit um den Afghanistan-Einsatz Unterstützung aus den Reihen der Bundesregierung: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte Verständnis für die Bischöfin und ihre Forderungen zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Margot Käßmann: Frau voller Widersprüche
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Er begrüße die Klarstellung Käßmanns, dass sie nicht den sofortigen Abzug der Bundeswehr fordere, sondern "so wie wir" eine zivile Perspektive für das Land unterstütze, sagte Westerwelle am Montag in Berlin. Der "Bild"-Zeitung hatte Käßmann erläutert, sie habe nie den sofortigen Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan verlangt. Die Kirche fordere aber einen erkennbaren Plan für den Abzug.

Die hannoversche Landesbischöfin sagte, ein Einsatz wie in Afghanistan sei nur zu rechtfertigen, wenn die zivile Komponente klar dominiere. "Der Vorrang des Zivilen aber ist doch beim Bundeswehreinsatz längst infrage gestellt. Und er wird vollends zerstört, wenn Deutschland weitere Einsatztruppen nach Afghanistan schickt", sagte sie.

"Nichts ist gut in Afghanistan"

Die Neujahrsansprache hatte zuvor für erheblichen Wirbel in der Politik gesorgt. In der Dresdner Frauenkirche hatte die Bischöfin die aufmunternden "Alles-wird-gut"-Wünsche vieler Bürger zum Jahreswechsel energisch zurückgewiesen: "Nichts ist gut in Sachen Klima, wenn weiter die Gesinnung vorherrscht: Nach uns die Sintflut." Dann kam sie in ihrer Predigt auf den Bundeswehreinsatz zu sprechen: "Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien — sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden."

Waffen seien offensichtlich nicht imstande, Frieden in Afghanistan zu schaffen. Nötig sei deshalb "mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen"; nötig seien Menschen, die "ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren". Ein solches Verhalten könne manchmal "mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen", sagte Margot Käßmann unter Hinweis auf die Friedensdemonstrationen 1989 in der DDR.

Massive Kritik

Kritik an Käßmanns Neujahrspredigt folgte umgehend. Hans-Ulrich Klose, außenpolitischer Experte der SPD im Bundestag, erklärte, Käßmann vertrete damit die Position der Linkspartei. Die EKD-Ratsvorsitzende habe sich in Gegensatz zur Mehrheit des Bundestages gestellt, sagte Klose der "Welt am Sonntag". Der Zeitung zufolge hatte Käßmann bereits zu Weihnachten erklärt, dass der Krieg in Afghanistan "auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirchen in Deutschland so nicht zu rechtfertigen" sei.

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), griff die Bischöfin an. Diese mache es sich zu einfach, wenn sie für den kurzfristigen Rückzug aus Afghanistan plädiere: "Zu verantwortungsvoller Politik gehört neben dem Friedensziel auch die Erkenntnis, dass man durch schlichten Pazifismus den Frieden in der Welt, so wie sie ist, nicht erreicht."

Den Finger in die Wunde

Die harschen Reaktionen auf Käßmann zeigten, wie schwierig das Thema Afghanistan in der Öffentlichkeit wird, wenn es in Zusammenhang mit den Begriffen Krieg und Pazifismus gestellt wird. Westerwelles Reaktion dürfte den Konflikt nun aber erheblich entschärfen.

Westerwelle erneuerte in dem Zusammenhang seinen Vorschlag "in den nächsten Jahren" eine Abzugsperspektive für die deutschen Soldaten zu erarbeiten und schon "in diesem Jahr" der Prozess einer partiellen Übergabe der Verantwortung eingeleitet werden könne. Details wollte er nicht nennen. Zugleich bekräftigte er, dass der zivile Aufbau in Afghanistan militärisch abgesichert werden müsse. Die Debatte dürfe aber nicht auf die Truppenstärke reduziert werden.

Der Bundeswehrverband kritisierte die Äußerungen Käßmanns zum Afghanistan-Einsatz. Der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Es wäre besser gewesen, wenn Käßmann vor ihrer Predigt das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte." Käßmanns Nein zum Afghanistan-Einsatz schaffe nur neue Frustrationen für deutsche Soldaten.

(DDP/RP/pst)
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