"Alternative für Deutschland" Wie gefährlich ist die Anti-Euro-Partei für Merkel?

Berlin · Spätestens seit die Piraten mehrere Landtage geentert haben, sind die etablierten Parteien bei Neugründungen hellhörig geworden. Muss die regierende Koalition der Bundeskanzlerin nun die "AfD" fürchten?

Bei der euro-kritischen "Alternative für Deutschland" hat sich der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, bereits einen Tag nach dem ersten großen Treffen der neuen Partei mit harscher Kritik zu Wort gemeldet. Denn vor allem Union und FDP sondieren derzeit, ob die neue Partei die Chancen von Angela Merkel bei der Bundestagswahl im September ernsthaft schmälern und den angestrebten Weiterbestand der schwarz-gelben Koalition gefährden könnte - Meinungsforscher beurteilen dies in einer Reuters-Umfrage sehr unterschiedlich.

Auch ausländische Investoren und Medien horchen auf, seit der Ökonomen Bernd Lucke, der frühere FAZ-Redakteur Konrad Adam und einige Mitstreiter ihre neue Partei mit einem betont bürgerlichen Anstrich gegründet haben. Denn der Hauptslogan auf der Website der Alternative lautet "Schluss mit diesem Euro". Bisher unterschied sich Deutschland von fast allen anderen EU-Staaten dadurch, dass sich in der Finanz- und Schuldenkrise keine rechtspopulistische Partei gebildet hatte. Das extrem niedrige Zinsniveau für deutsche Staatsanleihen hänge gerade damit zusammen, dass niemand bei der Bundestagswahl eine grundlegende Veränderung der Euro- und EU-Politik erwarte, erklärte etwa Andrew Bosomworth, Leiter des deutschen Portfolio-Managements beim Anleihenhändler Pimco.

Bedeutet Wählerpotenzial auch gleich Wähler?

Der Ansturm bei der Auftaktveranstaltung diese Woche in Oberursel mit mehr als 1000 Teilnehmern und zwei Umfragen haben bewirkt, dass die Alternative für Deutschland nun ernster genommen wird als andere Splitterparteien - auch als die "Freien Wähler", die nun ebenfalls bundesweit organisiert sind. Denn das Meinungsforschungsinstitut TNS-Emnid stellte in einer Befragung fest, dass 26 Prozent der befragten Deutschen theoretisch eine solche Anti-Euro-Partei unterstützen könnten.

Der Konkurrent Forsa sieht die Zahl bei 23 Prozent. Allerdings ist umstritten, was das bedeuten. Denn eine substanzielle Anzahl von Befürwortern einer Rückkehr zur D-Mark gibt es seit der Einführung des Euro - ohne dass sich dies jemals in Wahlen niedergeschlagen hätte. Forsa-Chef Manfred Güllner glaubt deshalb trotz der Erhebung seines Instituts, dass die Alternative für Deutschland allenfalls ein Potenzial hat wie die Partei Pro DM, die bei der Bundestagswahl 1998 nur knapp 0,9 Prozent der Stimmen holte. Auch bei der Niedersachsen-Wahl im Januar plakatierten gleich vier Splitterparteien gegen den Euro und blieben alle im Promille-Bereich.

Matthias Jung, Geschäftsführer der Forschungsgruppe Wahlen, verweist zudem auf die ebenfalls euro-kritischen Freien Wählern, die im September antreten wollen: "Obwohl wir diese Gruppierung in Umfragen bereits abfragen, kommt sie im Ergebnis prozentual auf Bundesebene überhaupt nicht vor", meint er. "Neue Parteien tun sich sehr schwer, vor allem in einer Bundestagswahl, weil die Aufmerksamkeit für die fünf etablierten Parteien sehr groß ist, die viele als ausreichende Alternative sehen", meint auch Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest-dimap.

Auch zwei, drei Prozent können die Wahl beeinflussen

Allerdings muss die Alternative für Deutschland nicht unbedingt über die Fünf-Prozent-Hürde springen, um Merkel bei der Bundestagswahl schaden zu können. Angesichts des erwarteten knappen Wahlergebnisses können auch zwei oder drei Prozent wahlentscheidend sein. "Das ist nicht gut für uns. Die Stimmen könnten aus unserem politischen Lager kommen", meint jedenfalls der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs zur neuen Anti-Euro-Partei. Denn auf die Frage, woher Wähler der neuen Partei kommen, sagt auch Alternative-Sprecherin Frauke Petry, dass dies "schon zum überwiegenden Teil aus dem Lager der Union" sei. Das zeige die Beteiligung an den bisherigen Veranstaltungen und die 1000 eingehenden E-Mails pro Tag.

Meinungsforscher bezweifeln eher, ob dies bei der Wahl tatsächlich so sein wird. "Solche Parteien sind immer für bürgerliche Wähler attraktiver als für linke", meint zwar Hilmer. "Aus derzeitiger Sicht ist die Gefahr für die Koalition aber begrenzt, weil die Zustimmung zu der Euro-Politik von Merkel und Schäuble sehr groß ist." Das Euro-Thema sei zudem nicht mehr dominierend in der innenpolitischen Debatte, so dass es eine Partei schwer hat, die so mono-thematisch antritt.

Sowohl Jung als auch TNS-Emnid Chef Klaus-Peter Schöppner vermuten ohnehin eher, dass die neue Partei eher Nicht-Wähler als Anhänger der etablierten Parteien anziehen dürfte. "Dazu gehört ja bereits heute der ehemalige Teil des rechtskonservativen Wirtschaftsflügels der CDU, der sich bereits verabschiedet hatte", meint Schöppner und verweist auf den Partei-Gründer Lucke.

Entscheidend dürfte am Ende das Image der Anti-Euro-Partei sein. "Als rechtspopulistisch kann man sie nicht bezeichnen", meint Michael Borchard, Politik-Hauptabteilungsleiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zwar. Aber die Wahlgeschichte der Bundesrepublik ist voll von Beispielen, in denen kleine neue Parteien von allen möglichen auch unerwünschten Personen und Kräften überrannt wurden, "die oft schon sieben Parteigründungen hinter sich haben", wie ein Meinungsforscher frotzelt. Gerade bei einer Anti-Euro-Rhetorik sei zudem die Gefahr groß, am Ende trotz seriöser persönlicher Aushängeschilder als nationalistisch und national-egoistisch wahrgenommen - oder auch dargestellt - zu werden. Dieser Gefahr ist sich Alternative-Sprecherin Petry übrigens sehr bewusst. "Wir lassen uns nicht ins rechte Lager abdrängen", betont sie - und fügt vorsorglich hinzu: "Mit der NPD haben wir nichts am Hut."

(REU/felt)
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