Diskussion um Atommüll Wie Gift-Abfälle endgelagert werden

Berlin (RP). Das Bundeskabinett hat am Dienstag sein Energiekonzept verabschiedet. Demnach sollen die Atomkraftwerke länger laufen, als einst von Rot-Grün beschlossen. Die Laufzeitverlängerung hat eine Frage wieder aufgebracht: Wohin mit den radioaktiven Abfällen? Im hessischen Herfa-Neurode, im baden-württembergischen Heilbronn und in Zielitz (Sachsen-Anhalt) stellt sie kaum jemand. Zumindest nicht, wenn es um giftige Chemie-Abfälle geht.

Atomkraftwerke in Deutschland
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Foto: AP

Bereits seit 1972 werden giftige oder chemisch belastete Abfälle in Salzbergwerken für die Ewigkeit gelagert. Das Verfahren in den Untertagedeponien ähnelt dabei den geplanten Endlagern für radioaktive Abfälle. Mittlerweile sind diese Lagerstätten auch Rohstoff-Lieferanten. In Herfa-Neurode, in Heilbronn und in Zielitz gibt es dafür bereits Endlager, die indes Untertagedeponien (UTD) heißen.

Es sind Orte, an denen Kali- oder Steinsalz abgebaut wurde. Das hat für "Löcher" in den Lagerstätten gesorgt. Hohlräume, die in Herfa-Neurode seit 1972 genutzt werden, um giftigen Müll zu lagern. Für die Ewigkeit. Denn anders als radioaktiver Abfall haben sie keine Halbwertszeit, nach der die Hälfte der gelagerten Abfälle zerfallen ist.

Eingeschlossen in 200-Liter-Fässern

Auch in einer Million Jahren ist noch dieselbe Menge an arsen-, cyanid- oder quecksilberbelasteten Abfällen, an Filterstaub aus Haus- und Sondermüllverbrennung, PCB-haltigen Transformatoren und Kondensatoren vorhanden. Meist eingeschlossen in 200-Liter-Fässern oder Containern, die mit Beton als zusätzliche Barriere verfüllt werden — bevor sie in bis zu 800 Meter Tiefe gelagert werden.

Die Salzstöcke haben dabei mehrere Vorteile: Entstanden sind sie bereits vor 250 Millionen Jahren, als Binnenmeere austrockneten. Seitdem sind sie geologisch stabil. Unter dem Druck in der Tiefe "fließt" zudem das Salz: Es verhält sich zähflüssig, wie eine Art Paste. So wird der Sondermüll in ein paar Jahrzehnten bis Jahrhunderten vom Salz umschlossen und versiegelt.

Selbst wenn wider Erwarten Wasser auf das Salz trifft, müsste es sich durch eine dicke Schicht arbeiten, um bis zum Abfall vorzustoßen und die Gifte nach außen zu tragen. Kleine Risse oder Wassereinbrüche dagegen würde der Salzstock von alleine wieder schließen. Zudem werden die Salzstöcke von Tonschichten überlagert, die ebenfalls plastisch auf Bewegungen der Erdkruste reagieren. Die Abfälle sind darum auch zuverlässig vom Grundwasser abgeschottet.

Pro Jahr 200.000 Tonnen

In Herfa-Neurode können pro Jahr so 200.000 Tonnen eingelagert werden. Und es ist nicht nur deutscher Sondermüll, der seinen Weg dorthin findet. Längst schon setzt das Ausland auf die deutschen Untertagedeponien — zum Preis von mehreren Hundert Euro pro Tonne. Insgesamt sind so bereits mehr als 2,5 Millionen Tonnen an Gift-Abfällen unter Tage eingelagert worden.

Gedacht sind diese Deponien an sich für die Ewigkeit. Zumindest aber für eine sehr lange Zeit. Doch steigende Rohstoffpreise und neue Recycling-Verfahren machen es rentabel, unter anderem Generatoren wieder an die Oberfläche zu holen. Sie wurden in den Untertagedeponien eingelagert, weil das eingesetzte Öl PCB, Polychlorierte Biphenyle, enthält. Sie führen zu Leberschäden, stehen im Verdacht, Krebs auszulösen und sind seit 1989 verboten.

Die Generatoren enthalten aber sehr viel Kupfer und Weicheisen. Beides dringend benötige Ressourcen. Auch selenhaltige Abfälle werden wieder wertvoll, weil die Halbleiter-Industrie einen steigenden Bedarf für die Mikrochip-Herstellung hat. Ein Problem, die Abfälle wiederzufinden, gibt es nicht. In den Untertagedeponien wurde alles genau katalogisiert und der Standort des Abfalls verzeichnet, um als Rohstoff nun wieder gehoben zu werden. Die "Bergung" kostet dabei genauso viel, wie man für die Einlagerung bezahlt hat.

(RP)
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